„Eltern müssen wissen, was ihre Kinder online tun“
Wie begleiten Eltern ihre Kinder in die digitale Welt? Und was bringt Lernen am Bildschirm überhaupt? Bildungsexperte Daniel Bialecki erklärt's.
Kira Brück 22. Oktober 2018
Wie entwickeln Kinder Spaß am Lernen? Eine Frage, die den Bildungsexperten Daniel Bialecki schon lange umtreibt – und die ihn schließlich dazu brachte, den Online-Lernspezialisten scoyo zu gründen. Der dreifache Vater spricht im Coding Kids Interview über Smartphone-Verbote an Schulen, internetsüchtige Eltern und warum ausgerechnet ein digitaler Wissensvermittler wie er sein Kind auf eine Waldorfschule schickt.
Eltern reagieren mitunter panisch, wenn sie merken, dass ihr Kind mit dem Tablet oder Smartphone spielen will. Was fasziniert Kinder eigentlich am Bildschirm?
Alle Lebewesen sind so konzipiert, dass sie sofort aufmerksam werden, wenn sich etwas bewegt. Früher war das Überleben davon abhängig, dass du jede Bewegung in deinem Umfeld registriert hast. Davon ging Gefahr aus, von nichts anderem. Insofern wundert es nicht, dass wir uns alle von Bildschirmen angezogen fühlen, Kinder wie Erwachsene. Da bewegt sich was!
Wie kann diese Faszination beim Lernen helfen?
Der Aspekt der Interaktivität motiviert total. Er steht im Kontrast zu „langweiliger toter Masse“ in Lehrbüchern. Kinder finden es toll, wenn sie selbst etwas bewegen und verändern können. Nach dem Motto: Wenn ich etwas eingebe, bekomme ich ein Resultat. Aus der Sicht der Kinder ist das, was auf Bildschirmen passiert, etwas Lebendiges – obwohl es das natürlich nicht ist – und dadurch echter. Bücher sind toll, da entstehen Bilder im Kopf. Aber Bildschirme zeigen bewegten Content.
Sie haben eine digitale Lernplattform gegründet und schicken Ihr Kind gleichzeitig in die Waldorfschule – die solche Angebote ablehnt. Wie passt das zusammen?
Es wird noch besser: mein jüngerer Sohn besucht eine Regelschule! Wir haben unsere Kinder typgerecht eingeschult. Ich muss zugeben, dass ich im Vorfeld die Waldorfschule für mich heftig entmystifizieren musste (lacht). Heute sage ich: Waldorf hat ein sehr gutes Lernkonzept, Vieles findet davon mittlerweile Eingang in die Regelschulen. Bei Waldorf lernen die Schüler in Epochen, also thematisch orientiert. Dann lassen sie das Thema ein paar Wochen liegen und nehmen es wieder auf. Die Neuropsychologie hat bewiesen, dass das ein ideales Lernkonzept ist. Meinem Sohn entspricht total, dass man hier künstlerisch orientiert ist und dass es bis zur achten Klasse keine Noten gibt. Ich weiß nicht, wie es ihm unter harten Notenleistungsanforderungen gehen würde. Mein zweiter Sohn ist kompetitiv und ein richtiges „Körperkind“. Er braucht richtig viel Sport. Und da hat Waldorf für mich eine große Schwäche, weil sie Kindern, die ernsthaft Bewegung brauchen, diese nicht bieten können.
Werden Sie als Digital-Experte auf Waldorf-Elternabenden eigentlich angefeindet?
Nein, das nicht, aber sagen wir es mal so: Es wird viel diskutiert. Wir haben unter den Eltern die Debatte, ob die Kinder, bis sie 16 Jahre alt sind, keine Smartphones nutzen dürfen. Schließlich dürfe man ja auch erst mit 18 Jahren den Führerschein machen. Das ist eine ganz spannende Analogie. Ein Jugendlicher könnte niemals mit 18 Jahren einen Führerschein machen, wenn er vorher nicht am Straßenverkehr teilgenommen hätte. Man muss dabei sein, muss langsam reinwachsen und verstehen, was beispielsweise eine Ampel ist. Das weiß man alles vorher schon, das bringt die Fahrschule einem echt nicht bei. Ich bleibe dabei, dass wir Kinder mit digitalen Medien in Kontakt bringen müssen, weil sie nun mal unser Alltag sind.
Die Begleitung ist also entscheidend.
Es ist wichtig, dass Eltern wissen, was ihre Kinder tun. Die Spiele-App „Clash of Clans“ ist ein gutes Beispiel. Viele Kinder spielen sie, die App ist ab 0 Jahren freigegeben. Es gibt aber ein Problem: einen komplett offenen Chat, den Eltern völlig naiv ihren Grundschulkindern an die Hand geben. Über solche Chats geschehen jährlich diverse Missbrauchsfälle.
Was empfehlen Sie, damit Eltern ruhig schlafen können, ihren Kindern aber trotzdem den Eintritt in die digitale Welt nicht verwehren?
Eltern müssen sich informieren. Ansonsten besteht ein hohes Risiko, dass sich ein Kind komplett in dieser Welt verliert. Ein sicheres Umfeld ist das A und O. Keine Werbung und auch nicht die Gefahr, dass Kinder stundelang vor sich hin daddeln. Bei scoyo gibt es keine freien Spiele zum reinen Selbstzweck, sondern immer ein absolut kontextbezogenes Spielen an einem Lernthema entlang, das in eine Geschichte gebettet ist.
Sie werden bestimmt oft auf das Thema Internetsucht angesprochen. Wie stehen Sie dazu?
Dieses Suchtthema ist eine deutsche Reflex-Diskussion. Ich glaube, wir haben in erster Linie gar nicht das Problem, dass die Kinder internetsüchtig sind. Das Problem liegt bei uns Eltern. Wir sind die erste Generation, die so heftig Smartphones nutzt – und viele von uns haben ihr Verhalten nicht mehr unter Kontrolle, wir sind das Problem.
Viele kommen erst auf die Idee, dass das alles nicht so gut sein kann, wenn sie eigene Kinder haben und die ihr Verhalten spiegeln.
Wir Erwachsenen beschäftigen uns wahnsinnig viel mit Facebook und Co. – unsere Kinder sehen uns dabei und finden es normal und richtig. Und wollen es deshalb auch. Um eine Sucht zu verhindern, muss ich als Vater erst mal mein eigenes Verhalten reflektieren. Wir sind uns doch alle einig, dass es nicht super ist, das Smartphone permanent vor den Augen zu haben. Meiner Meinung nach besteht eine Suchtgefahr immer dann, wenn man sein Kind vollkommen unbeobachtet alleine lässt – das fängt bereits beim Fernsehen an. Bei Online-Medien ist die Faszination aufgrund der Interaktivität natürlich krasser. Viele vergessen aber, dass hier auch Gefahren lauern.
Was meinen Sie mit Gefahren?
Natürlich gibt es unzählige gute Angebote im Internet, etwa auf YouTube. Da kann man ganz tolle Lernvideos finden. Blöderweise ist ein Klick daneben auch der euphorische Bericht über russische Gewehre. Das sind problematische Umfelder. Nicht die Inhalte selbst sind das Problem, sondern das Umfeld. Ich denke da auch an Werbung.
Wie stehen Sie zum Smartphone-Verbot in Schulen?
Es gibt hier in Hamburg ein Projekt namens „Bring your own device“. Ich finde den Ansatz gut zu sagen: „Ihr habt doch ohnehin alle ein Smartphone. Bringt es mit, wir integrieren es in den Unterricht.“ Die Projekte werden heftig evaluiert. Es wurde beobachtet, dass diese Kinder das Smartphone in der Pause weniger bis gar nicht nutzen. Die Lehrer können so viel besser Medienkompetenzen trainieren und auch Cybermobbing vorbeugen. Aber: Man braucht da vorne eine Lehrkraft, die die Kompetenz hat, damit umzugehen. Ich finde diesen Ansatz spannender, als das Telefon komplett zu verbieten. Wenn du als Teenager erst um 13 Uhr dein Handy wieder anmachen darfst, denkst du, du hast die Welt verpasst.
Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft des Lernens aus?
Es wird sicher nicht in Richtung Roboterlehrer gehen. Wir werden aber eine signifikante Unterstützung durch digitale Hilfsmittel erfahren wie zum Beispiel durch KI-gestützte Algorithmen, die in der Klasse eingesetzt werden. Der Algorithmus kann bewerten, an welchen Grundlagen es den Schülern bei einem Thema fehlt. Lehrer werden eine große Entlastung bekommen und können sich mehr auf das eigentliche Lehren konzentrieren. Wir werden auch sehen, dass nicht mehr das reine Wissen wichtig ist, sondern dass es mehr um die Fähigkeiten der Kinder geht. Und: Kinder werden durch digitale Lernmedien intelligente Tutoring-Systeme zu Hause haben und können sich so die Basis eines Themas selbst erarbeiten. Damit gehen sie in die Schule, das Wissen wird gemeinsam in der Gruppe diskutiert. Das nennt sich flipped Classroom: in der Schule trainieren statt Fakten pauken. Das ist meine positive Hoffnung.
Und die negative?
Dass die Schulen krass überfordert sind. Allein durch das große Problem des Lehrermangels. Zukunft des Lernens bedeutet aber auch, dass man sich als Eltern Gedanken darüber macht, was gut und richtig für das eigene Kind ist. Bildung wird kein Selbstläufer sein. Eltern müssen sich differenziert mit der Schule auseinandersetzen. Gleichzeitig sollte die Schlussfolgerung aber nicht sein, dass alle ihre Kinder auf eine Eliteschule schicken. Stattdessen sollten wir uns in unser Umfeld einbringen. Es gehört zur Zukunft des Lernens dazu, seine Blase zu verlassen. Wir wollen schließlich keine elitären Kinder erziehen, die nicht die Straßenseite wechseln können. Unser Schulsystem muss gut genug sein, dass es keine großen Verlierer produziert.
Zum Schluss unsere Lieblingsfrage: Wie wichtig ist Coding?
Total wichtig! Weil unsere Kinder die digitale Welt dadurch begreifen können. Wir wollen schließlich, dass sie die Welt eines Tages verändern können. Daher müssen wir heute schauen, dass die nächste Generation in der Lage ist, die Zukunft zu gestalten. Und digitale Kompetenzen sind nun mal total wichtig.
Sollten alle Kinder programmieren können?
Wenn ich die Frage sehr wörtlich nehme, würde ich sagen: da reicht ein Workshop. Wenn es darum geht zu verstehen, was ein Algorithmus macht, dann gehört es in den Schulunterricht. Ganz plakativ: HTML-Programmierung kann ich im Ferienkurs machen. Begreifen, was Bewertungsmechanismen auf sozialen Medien machen, gehört in die Schule.
Was ist scoyo?
Die scoyo GmbH begleitet mit seinen digitalen Angeboten und Services Kinder und deren Eltern entlang des schulischen Bildungsweges. Mit der scoyo Lernwelt bietet der Online-Lernspezialist Deutschlands Nr.1 Lernplattform für Kinder. Entwickelt wurde die Online-Lernwelt in Zusammenarbeit mit Pädagogen, Fach- und Mediendidaktikern. Zugeschnitten auf Schultyp, Klassenstufe und Lehrplan des jeweiligen deutschen Bundeslandes deckt die scoyo Lernwelt mit interaktiven Lernabenteuern, Übungen und Tests den Lerninhalt für etwa 4.000 Schulstunden ab und stellt damit das umfangreichste internetbasierte und lehrplanorientierte Angebot für die Klassen 1-7. Weitere Informationen: www.scoyo.de
Für welche Kinder ist die scoyo Lernwelt geeignet?
scoyo will Kinder und ihre Eltern immer wieder fürs Lernen begeistern und nutzt dafür die Möglichkeiten der digitalen Welt. Deshalb ist der Schulstoff in der scoyo Lernwelt in animierte Lernabenteuer und Geschichten eingebettet, die Kinder zum Mitmachen und Mitdenken einladen. Selbstbestimmt und im eigenen Tempo wenden Kinder die Lerninhalte aus der Schule in greifbaren Situationen an – dadurch wird Wissen erlebbar und die Lernmotivation befeuert. Weitere Gamification-Elemente, wie ein persönlicher Avatar oder ein Punkte- und Levelsystem, sorgen für zusätzliche Anreize zum Lernen. Kinder können in der scoyo Lernwelt Schulstoff ohne Druck und mit Spaß wiederholen, festigen und vertiefen.