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Interview

„Die Digitalisierung ist kein nerdy Nischenthema“

Eine Mutter bringt sich mit ihren Kindern das Programmieren bei und bloggt sogar darüber. Was sie anderen Eltern rät? Wir haben mit Nicole Hocks gesprochen.

Programmieren ist die Sprache der Zukunft, das ist längst keine Neuigkeit mehr. Aber wie erlernt man sie? Wenn man sich auf das Bildungssystem nicht verlassen will (und das sollte man nicht, denn noch immer sind die Unterschiede in Punkto Digitalisierung in den Schulen gravierend), muss man selbst aktiv werden. Genau das hat Nicole Hocks, 47, gemacht. Sie fragte sie, wie der Einstieg ins Coding gelingen kann – und probierte es zusammen mit ihren Kindern aus. Das fanden wir spannend – und baten sie deshalb zum Gespräch.

Frau Hocks, wie kam es dazu, dass Sie mit Ihren Kindern coden lernen wollten?

Ich arbeite im Online-Marketing und komme so immer wieder mit Programmierern und Programmiersprachen in Berührung. Da merke ich, wie wichtig zumindest ein Grundverständnis dafür ist, wie Computer funktionieren und was eine Datenbank ist. Gleichzeitig sehe ich, wie schwierig es ist, wenn man sich dem verschließt und dadurch möglicherweise aktuelle Entwicklungen verpasst oder diese nicht mitgestalten kann. Ich möchte einfach verstehen, wie das Digitale funktioniert – von Grund auf.

Und, sind Ihre Kinder vor Freude in die Luft gesprungen, als Sie Ihnen gesagt haben: „So, ab jetzt programmieren wir zusammen!“?

Man macht sich bei seinen Kindern erst einmal unbeliebt, wenn man sagt „Wir setzen uns in den Ferien hin und arbeiten ein Coding-Buch durch.“ Ich habe mit zwei Teenagern ja ohnehin schon ständig Diskussionen: „Komm von der x-Box weg, räum Dein Zimmer auf, lern deine Vokabeln!“ Ich schätze das Programmieren aber als so wichtig ein, dass ich es priorisiere – und riskierte deshalb auch, dass die Stimmung mal nicht so gut ist. Mein 15-jähriger Sohn kommentierte: „Jetzt müssen wir schon wieder was machen, dabei wollen wir doch lieber rumhängen!“

Wie haben Sie konkret angefangen?

Ich habe monatelang recherchiert, womit man idealerweise beginnen sollte. Da etwas zu finden war gar nicht so einfach. Wir probierten uns durch verschiedene Angebote, bis wir Scratch fanden. Dieses Programm finde ich super, weil es sehr intuitiv funktioniert. Dazu gibt es ein Buch „Easy programmieren mit Scratch“ sowie Youtube-Videos. Das war der perfekte Einstieg.

Wie ging es weiter?

Auf Scratch baut Python auf, das wird praktischerweise im gleichen Buch abgedeckt. Man braucht dazu nur einen Rechner oder Tablet. Es hat sich herauskristallisiert, dass das Programmieren meiner Tochter mehr Spaß macht als meinem Sohn. Das hätte ich anfangs auch nicht so eingeschätzt, aber meine Tochter mag Puzzle, sie knobelt gerne und hat mehr Geduld. Sie packt dann der Ehrgeiz, wenn etwas nicht funktioniert. Das war eine spannende Erkenntnis für mich – ich lernte meine Kinder noch einmal anders kennen und konnte etwas Neues über ihre Stärken und Neigungen erfahren.

Wie reagieren andere Eltern, wenn Sie ihnen sagen, dass Sie Ihren Kindern das Programmieren beibringen?

In der Regel gucken sie meine Kinder mitleidig an und sagen nicht viel. Manche meinen auch: „Das ist nichts für mein Kind!“. Ich habe auch schon versucht, die Freunde meiner Kinder miteinzubeziehen. Mit mehreren macht so ein Projekt ja mehr Spaß. Aber da ist auf Seiten der Elterngeneration unheimlich wenig Bewusstsein vorhanden.

Können Sie Ihren Eindruck konkretisieren?

Die meisten wissen nicht, was Programmieren bedeutet und haben deshalb ein Problem, ihre Kinder dafür zu begeistern. Bei vielen ist nicht präsent, dass Coding-Kenntnisse wichtig sind. Unsere Kinder fallen in eine Lücke von Menschen, die digitale Geräte bedienen können wie keine Generation vor ihnen. Gleichzeitig sind sie nicht fähig, diese Welt zu gestalten, wenn sie nicht coden können.

Was würden Sie Eltern raten, die auch mit ihren Kindern coden wollen?

Das Buch „Einfach programmieren für Kinder“ würde ich als Einstieg empfehlen. Das ist eine niedrige Einstiegshürde. Man kann wirklich einfach die Grundlagen lernen und spielerisch mit einer kostenlosen App auf dem Handy üben. Insgesamt wirklich gut gemacht.

„Wir leben bald im Jahr 2019, deshalb sollte es selbstverständlich sein, dass auch Coden zur Grundausrüstung gehört, die wir für unsere Kinder packen.“

Sie bloggen auch über ihre Erfahrungen als codende Mutter. Wann kommen Sie da eigentlich noch dazu – berufstätig sind Sie ja auch noch.

Ich arbeite in Teilzeit. Abends, wenn ich neben dem Fußballplatz sitze, auf dem meine Tochter trainiert, mache ich mir Gedanken und recherchiere auf dem Handy. Es ist mein Hobby und mich faszinieren die Themen und Möglichkeiten. Deshalb mache ich es gerne und freue mich, anderen damit Ideen liefern zu können.

Letzte Frage: Jetzt haben Sie noch einmal die Gelegenheit, allen Eltern, die sich mit dem Programmieren lernen nicht sicher sind, ein paar Argumente zu liefern. Welche sind das?

Wir packen unseren Kindern einen Rucksack: Die Grundausrüstung beinhaltet Lesen, Schreiben, Rechnen, Tischmanieren, soziales Verhalten und vieles mehr. Wir leben bald im Jahr 2019, deshalb sollte es selbstverständlich sein, dass auch Coden zu dieser Ausrüstung gehört. Das eine ist, ein Programm oder ein Spiel zu bedienen. Das andere, wie ein Computer funktioniert und wie man mit ihm ‚spricht’. Das Grundverständnis für die technischen Zusammenhänge ist einfach superwichtig. Die Digitalisierung ist kein nerdy Nischenthema mehr, sondern betrifft uns alle.

Zur Person

Nicole Hocks, 47 Jahre alt, ist Mutter von einer Tochter (12) und einem Sohn (15). Sie arbeitet im Online-Marketing einer Bank und ist begeistert von den Möglichkeiten, die das Internet bietet. In ihrem Blog onlineuebung.de stellt sie Schülern kostenlos Informationen und Links zu Onlineübungen zusammen, die ihnen beim Lernen für die Schule helfen.

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