Rafael Kobylinski hat auf eigene Faust an der Schule seiner Tochter eine Coding-AG gegründet. Was die Kids Zuhause darüber erzählen – und wie andere Eltern seinem Beispiel folgen können.
Kira Brück 12. März 2020
Hauptberuflich Gesellschafter eines Software-Unternehmens, vermittelt er den Kindern die Grundlagen des Programmierens. Uns hat er im Interview verraten, wie sie darauf reagieren – und wie andere Eltern seinem Beispiel folgen können.
Wie kam es dazu, dass du eine Coding-AG in der Schule deiner Tochter gegründet hast?
Das ging vor vier Jahren los, bevor sie eingeschult wurde und ich gecheckt habe, dass da in der Schule nichts Jetztzeitiges auf dem Lehrplan stehen würde. Deshalb habe ich der Kita angeboten, mit den Kids ein „Hour of Code“-Event zu machen.
Die Erzieher fanden meine Idee anfangs etwas befremdlich, machten dann aber begeistert mit. Und die Kinder erst! Das Ganze war „unplugged“, kam also komplett ohne Technik aus. Die Kinder haben mit den Erziehern Steuerungskarten gebastelt, mit denen sie zuerst mich, dann ihre Erzieher und schließlich ihre Freunde „programmieren“ konnten.
Natürlich wollten zum Schluss alle der Roboter sei. Wer es nachmachen will: Hier gibt es eine Anleitung zu „My Robotic Friends“. Die Kids waren schwer begeistert und haben dann zu Hause erzählt, dass Programmieren ganz einfach und Roboter eigentlich ganz „dumm“ sind. „Mission accomplished!“, würde ich sagen. Als meine Tochter in die Grundschule kam, wollte ich mehr daraus machen.
Wie sieht dein Engagement konkret aus?
Ich halte mir einmal pro Woche, am Freitag Nachmittag, einen Slot für eine einstündige Coding-AG frei. Meistens klappt das auch. Die AG ist eine Veranstaltung des Schul-Horts, an der die Kinder freiwillig und kostenlos teilnehmen können. Ich nehme dafür kein Geld, die Schule stellt ein Klassenzimmer und einen Klassensatz iPads zur Verfügung.
Auf welche Hürden bist du gestoßen?
Der Schulleiter und der Leiter des Horts waren sofort begeistert. Das hat mich zusätzlich motiviert. Es hat allerdings etwas gedauert, bis die Schule tatsächlich eigene iPads hatte.
Von solchen Details ließ ich mich aber nicht von meinem Plan abbringen: Gestartet bin ich erstmal mit spielerischen „unplugged“-Einheiten, und habe dann privat einige ältere iPads organisiert. Irgendwann hat die Schule endlich iPads beschafft, und wir konnten richtig durchstarten.
Wie reagieren die Schüler auf die AG?
Ich habe jetzt das vierte Jahr in Folge vor allem mit den Jahrgängen 2008 und 2009 zu tun. Diese Kids können sich an eine Welt ohne iPads schlichtweg nicht erinnern. Für sie gehören Smartphones, Tablets, Apps und YouTube zur gelebten Wirklichkeit, und sind so selbstverständlich wie für uns das Telefon, Strom und warmes Wasser.
„Für die Schüler gehören Smartphones, Tablets, Apps und YouTube zur gelebten Wirklichkeit.“
Rafael Kobylinski
Am Anfang dachten natürlich einige, wir würden in der AG Filme gucken und Spiele spielen, die waren dann etwas enttäuscht. Diejenigen, die dabei geblieben sind, lösen aber mit großer Begeisterung die verschiedensten Programmieraufgaben und legen ein sehr beeindruckendes Lerntempo vor. Wir arbeiten inzwischen mit Einheiten auf Gymnasial-Niveau.
Was bringst du den Schülern bei? Und mit welcher Software und Hardware?
Ich möchte den Kids eine erste Vorstellung von der Welt hinter dem Touchscreen geben. Diese Mädchen und Jungs sollen später nicht zwingend Softwareentwickler werden. Aber auf jeden Fall mit einem Grundverständnis für Algorithmen und Software aufwachsen. Dabei versuche es mit einem spielerischen Zugang.
Im ersten Jahr (1. und 2. Klasse) sind wir mit „unplugged“-Einheiten aus dem Fundus von code.org gestartet, haben aber dann recht schnell mit der iPad-App „Scratch Jr.“ die ersten echten Programme erstellt.
Ein Jahr später (2. und 3. Klasse) haben wir mit der iPad-App „Tynker“ weitergemacht. Und mit „Lego we-do 2.0“ kleine Roboter gebaut und mit der dazugehörigen App programmiert.
Letztes Schuljahr (3. und 4. Klasse) haben wir mit der Apple-App „Swift Playgrounds“ schon die ersten Programme wirklich geschrieben, also nicht wie in den Jahren davor per Drag-and-Drop gebaut.
„Ich möchte den Kids eine erste Vorstellung von der Welt hinter dem Touchscreen geben.“
Hast du Tipps, wie sich Eltern an der Schule ihrer Kinder auch im Bereich Coding engagieren können?
Einfach machen. Eine „Hour of Code“ für kleine Kinder lässt sich auch ohne Technik umsetzen. Es gibt online jede Menge Material und tolle Apps. Ich habe mich zunächst an den Apple Büchern „Erste Schritte mit Code 1“ (engl. „Get Started with Code 1“) und „Erste Schritte mit Code 2“ (engl. „Get Started with Code 2“) orientiert und mache jetzt mit „Programmieren lernen 1 & 2“ (engl. „Learn to Code 1 & 2“) weiter.
Und laufen lassen. In einer etwas freier gestalteten Stunde vor den Herbstferien haben einige Kinder mit minimaler Anleitung mit „Lego we-do 2.0“ ihre ersten Fußball-Roboter gebaut und programmiert!