„Früher wollten Kinder Astronaut werden, heute Influencer“
Sind Digitalisierungs-Bedenken okay? Und kann man Kinder ohne moderne Technik aufwachsen lassen? Digital-Experte Johannes Ceh antwortet.
Redaktion 22. November 2018
Viele Eltern fühlen sich verunsichert, wenn es um Kinder und Smartphones geht. Und wenn der Nachwuchs als Berufswunsch dann auch noch Influencer angibt, schlagen sie die Hände über dem Kopf zusammen. Alles keine Gründe zum Verzweifeln, findet Digital-Experte Johannes Ceh. Im Interview erklärt er uns, dass man als Eltern ruhig mit dem Zeitgeist gehen kann. Und sich bloß nicht verrückt machen sollte.
Johannes, welche sind die besten Argumente, um Leuten die Angst vor der Digitalisierung zu nehmen?
Die Digitalisierung kann euch nichts anhaben, wenn ihr verantwortungsbewusst mit ihr umgeht! Viele klicken bei Facebook wie wild auf Gewinnspiele oder wollen wissen, was ihre Aura über sie aussagt. Da kann man schon damit rechnen, dass solche Angebote auf Daten zielen. Es spielt aber eine gewisse Web-Naivität mit rein, die wir alle haben. Manche melden sich bei Facebook ab, haben aber auf der anderen Seite Alexa zu Hause laufen. Ich glaube, dass wir hier alle in die Eigenverantwortung gehen müssen. Also mal überlegen, was wir im Internet überhaupt machen und von uns preisgeben.
Kannst du nachvollziehen, dass sich Eltern in Bezug auf die Digitalisierung Sorgen machen?
Klar kann man verstehen, dass es gewöhnungsbedürftig ist zu sehen, wie Kinder und Jugendliche ihre Welt über Devices wie das Smartphone wahrnehmen und sie auch darüber gestalten. Das sind ihre Werkzeuge und werden es in der Zukunft noch viel mehr sein. Und das auf eine völlig selbstverständliche Art und Weise. Manchmal ist es auch für mich beängstigend zu sehen, wie rasend schnell schon Vierjährige ein Tablet bedienen können.
Was rätst du verunsicherten Eltern?
Den intensiven Austausch mit anderen Eltern und auch Lehrern. Als ich zur Schule gegangen bin, wurde bei mir zu Hause viel darüber diskutiert, welche Sendungen ich im Fernsehen anschauen darf und welche nicht. In der Schule entsteht aber eine eigene Dynamik, weil die anderen Kinder viel tollere Sendungen schauen dürfen. Ich habe mich außen vor gefühlt, weil ich nicht mitreden konnte und hätte mir gewünscht, dass meine Eltern mit anderen Eltern sprechen, damit sie verstehen, was ein „normales Level“ ist. Und was man seinem Kind „zumuten“ kann. Lehrer haben da ja oft einen guten Blick drauf. Sie kennen das Kind, sind aber trotzdem Außenstehende.
Besteht die Gefahr, dass man sein Kind weltfremd erzieht, wenn man es aus allem Digitalen raushält?
Das kommt natürlich aufs Alter an. Unsere heutige Gesellschaft funktioniert nun einmal so und es wäre für jedes Kind schade, wenn es mit der Technik nicht mitkommt, weil die Eltern keine Berührungspunkte erlauben. Als Jugendlicher wollte ich unbedingt einen Commodore Amiga haben. Für mich wäre es das Größte gewesen, mich da reinzuhacken. Meine Kumpels hatten einen und waren natürlich die Helden. Sie konnten also viel früher mit Programmieren loslegen und hatten dadurch ein ganz anderes Verständnis von Technik. Ich habe erst während meines Studiums damit begonnen.
Was sagst Du einem Jugendlichen, der als Berufswunsch „YouTuber“ angibt?
Überleg dir mal, was hinter diesem Beruf steckt! Es ist ja nicht so, dass man mal eben ein kleines Video aufnimmt und damit Millionen verdient. Die stehen nicht einfach nur vor der Kamera, sondern müssen sich erst einmal etwas aufbauen, damit so viele Leute zuschauen. Bei Influencern oder YouTubern stehen ein Geschäftsmodell und auch eine Dienstleistung dahinter. Die muss man gut können, um Geld damit zu verdienen. Das ist für Kinder und Jugendliche häufig nicht erkennbar. Bei mir was das als kleiner Junge übrigens nicht anders.
Was wolltest du denn werden?
Astronaut oder Schauspieler! Rückblickend denke ich: Es ist schön, solche Träume zu haben. Auch wenn sie total unrealistisch waren. Ich glaube, das heute Influencer oder YouTuber die moderne Version des Schauspielers ist. Ich komme mal ganz groß raus!
Wie sollte man stattdessen seinen Beruf für später wählen?
Man kann sich die Frage stellen: Wem möchte ich mal (wenn ich groß bin) mit welcher Herausforderung weiterhelfen? Welchen Beitrag möchte ich für wen leisten? Als Kind kann man das sicherlich nicht so leicht beantworten, das sind ja abstrakte Fragen. Aber schon beim Nachdenken kommt da schon eine gewisse Erdung rein.
Zur Person
Johannes Ceh ist Digital-Experte. Er unterstützt Unternehmen, Digitalisierung an Kunden und Mitarbeitern auszurichten. Johannes ist außerdem Keynote-Speaker und Berater für neue Formen der Zusammenarbeit und digitale Verantwortung.