Warum Lehrer Andreas Kalt seine Schüler selbst Erklärvideos filmen lässt.
Redaktion 19. April 2017
An zahllosen Orten Deutschlands bringen Lehrerinnen und Lehrer digitale Inhalte und Ansätze in die Klassenzimmer. In der Serie „Das Vorbild“ stellt Coding Kids Pädagogen und ihre ausgewählten Projekte vor. Lehrer Andreas Kalt aus Baden-Württemberg nutzt eine Vielzahl digitaler Ansätze in seiner Arbeit. Besonders bereichernd findet er die Integration von Lernvideos in den Unterricht: Die Schülerinnen und Schüler verlassen die Rolle des Konsumenten, arbeiten sich intensiv ins Thema ein und hinterlassen ein bleibendes Werk. Ein Interview über seine Erfahrungen.
Herr Kalt, wie nutzen Sie digitale Inhalte und Techniken in der Praxis?
Digitale Inhalte kommen in vielfältiger Weise in meinem Unterricht vor: Zum einen natürlich als digitale Materialien, die ich bei der Unterrichtsvorbereitung zusammenstelle und dann zum Beispiel in Form von Abbildungen, Videos, PDF-Dateien etc. projiziere. Teilweise erhalten die Schülerinnen und Schüler dann eine Papierkopie als Arbeitsblatt, die Projektion des Materials am Beamer dient zur Veranschaulichung bei der Besprechung. Auch die Schüler erstellen immer mal wieder digitale Materialien wie etwa Mindmaps zur Strukturierung von Inhalten oder auch Diagramme, Texte etc.
Darüber hinaus arbeite ich zum Beispiel bei der Projektarbeit in
Naturwissenschaft und Technik (NwT) mit einem Wiki, mit dessen Hilfe
sich die Schüler-Gruppen organisieren: Sie erhalten ihre Projektaufträge
im Wiki, erstellen dort ihre Organisation und Planung und dokumentieren
gemeinsam die Ergebnisse der Projektarbeit. So ist das Wiki in diesem
Fall der digitale Dreh- und Angelpunkt sowohl der inhaltlichen als auch der organisatorischen Unterrichtsarbeit.
Mit manchen Oberstufenkursen nutze ich das Wiki über die zweijährige
Dauer des Kurses auch als gemeinschaftlich geführtes Heft, an dem alle
Schüler und auch ich selbst in unterschiedlicher Weise mitarbeiten.
Das sind nur einige Beispiele. Ich organisiere alle meine Unterlagen
digital und habe sie immer auf dem Laptop in der Schule mit dabei. Im
Unterricht projiziere ich die Unterrichtsplanung per Beamer an die Wand
und auch „Tafelbilder“ werden so erstellt und gesichert.
Auf welches Projekt sind Sie besonders stolz? Was, würden Sie sagen, ist Ihnen dabei besonders gut geglückt?
In den letzten Jahren empfand ich vor allem die Integration von Erklärvideos in meinen Unterricht bereichernd. Ich wurde etwa vor zwei Jahren auf Youtube als Lernressource aufmerksam und habe mich schrittweise eingearbeitet, selbst Lernvideos zu erstellen und dies dann auch mit Schülern im Unterricht zu realisieren. Dieser Ansatz beinhaltet mehrere Aspekte, die ich wichtig finde:
Schüler verbringen in der Regel viel Zeit auf Youtube und konsumieren dort vielfältige Inhalte – von reiner Unterhaltung über Musik bis hin zu Lernvideos. Wenn man als Lehrkraft ebenfalls Lernvideos auf Youtube veröffentlicht, schafft das eine besondere Verbindung zu der eigenen Lerngruppe, weil die Schüler merken, dass in dieser riesigen „Videolandschaft“ Inhalte vorhanden sind, die speziell für sie erstellt wurden.
Wenn Schüler selbst Videos machen, erleben sie, dass sie am gesellschaftlichen und (jugend-)kulturellen Diskurs, der auf Youtube stattfindet, selbst aktiv teilhaben können. Sie sind nicht mehr nur auf die Konsumentenrolle reduziert, sondern lernen, sich selbst in Form von Videos auszudrücken. Dabei müssen natürlich auch Fragen der Urheberrechts und des Persönlichkeitsrechts geklärt werden, was die Schüler aber in die Lage versetzt, diese Aspekte reflektierter und kompetenter einzuschätzen als sie das vorher konnten.
Um ein Erklärvideo zu erstellen, müssen sich die Schüler sehr intensiv in ein Thema einarbeiten und lernen dabei verschiedene Aspekte, die etwa auch für Vorträge wichtig sind: Klare Struktur, gute Visualisierung, deutliche Sprache etc. Eine so vertiefte Arbeit an einem einzelnen Thema findet sonst nur selten im Unterricht statt.
Es ist immer schön, wenn die Lernarbeit ein greifbares Produkt hervorbringt – und umso schöner, wenn dieses auch noch öffentlich zur Verfügung steht und unter Umständen von vielen anderen Menschen genutzt wird.
Das sind nur einige der Aspekte, welche die Arbeit mit Videos im Unterricht für mich bereichernd machen. Natürlich ist der Zeitaufwand gegenüber „regulärer“ Unterrichtsgestaltung höher, so dass das eigene Erstellen von Videos nur hin und wieder realisiert werden kann.
Auf welche Hürden sind Sie dabei gestoßen?
Zunächst ist es natürlich eine Hürde, die technischen und methodischen Aspekte zu lernen, die man können muss, um selbst Videos zu erstellen. Da es mir aber Freude macht, Neues zu lernen, empfinde ich das nur bedingt als Hürde. Eine andere Sache ist es jedoch, die Technik und Methodik soweit zu strukturieren, dass auch Schüler ohne Vorerfahrung sie umsetzen können. Dabei sind die ersten Durchgänge in der Regel holpriger und dauern länger als geplant. Auch die Infrastruktur an der Schule hat manche Hürde parat (obwohl sie an unserer Schule sehr gut ist). Es kommt dennoch immer wieder vor, dass zum Beispiel ein Mikrofon nicht funktioniert oder andere Ausfälle die Arbeit mit digitalen Medien erschweren. Um anderen den Einstieg zu erleichtern, schreibe ich meine Erfahrungen daher in der Regel auf, damit nicht alle die gleichen Anfangsfehler machen müssen.
Darüber hinaus habe ich schon zwei Mal das Modell des Flipped Classroom („Umgedrehter Unterricht“ – die Schüler erarbeiten das Material zuhause, wenden es im Unterricht an; die Redaktion) ausprobiert. Im einen Fall war das Thema Klimawandel und für die entsprechende Lerngruppe recht überschaubar. Daher habe ich die Videos selbst erstellt. Dieser Durchgang hat sehr gut geklappt. In einem zweiten Fall in Biologie in der Kursstufe war das Thema aber komplexer und die Videos wären deutlich aufwändiger gewesen. Daher habe ich auf vorhandene Videos zurückgegriffen. Diese sind inhaltlich fundiert und auch umfangreich. Allerdings ist es mir nicht gelungen, mit den fremden Videos einen roten Faden in meinen Unterricht zu bringen. Sowohl die Schüler als auch ich fanden das unbefriedigend, sodass ich das Experiment nach einigen Stunden abgebrochen habe. Meine Erkenntnis daraus ist, dass die Flipped Classroom Methode – zumindest aus meiner Sicht – je nach Fach und Thema unterschiedlich gut geeignet ist. Und dass ich mich persönlich oft schwer tue, anderer Menschen Material zu verwenden, wenn es nicht zu meiner eigenen gedanklichen Struktur des Themas passt.
Was haben Sie aus dem Projekt mitgenommen – und was können andere Pädagogen daraus lernen?
Generell nehme ich aus meiner Arbeit mit Erklärvideos mit, dass sie den Unterricht sehr bereichern und mir auch Arbeit abnehmen können. Ich selbst erstelle zum Beispiel Videos für Themen oder Methoden, die ich immer wieder einsetze. Wenn dann etwa ein Schüler krank ist, können die zentralen Unterrichtsinhalte leicht nachgeholt werden. Außerdem ermöglicht es ein Video, dass Schüler etwas zu Hause noch einmal anschauen können, was sie vielleicht nicht beim ersten Mal verstanden haben. In vielen Fällen erspart mir ein Video auch den primären Input des Erklärens und ich habe im Unterricht Zeit, auf Fragen oder Vertiefung einzugehen. Abgesehen davon entwickelt sich Youtube zu einer Plattform, auf der fast alle Jugendlichen einen erheblichen Teil ihrer kulturellen Prägung erfahren. Zu verstehen, wie es dort zugeht, welche Inhalte dort vorhanden sind und wie wir als Pädagogen bei der Nutzung der Plattform präsent sein können, halte ich für sehr wichtig.
Zur Person
Andreas Kalt unterrichtet Englisch, Biologie, Geographie, Naturwissenschaft und Technik sowie Medien am Kreisgymnasium Neuenburg in Neuenburg am Rhein.