Till Raether ist Journalist und Schriftsteller. Und er glaubt an das Gute im Smartphone. In dem Buch „Digitale Intelligenz“ erklärt er, zusammen mit Verena Gonsch, die „Generation Smartphone“ sogar zu unserer Rettung. Mit zwei Mitgliedern eben dieser Generation, seinen Kindern 13 und 16 Jahre, lebt er in Hamburg. Wie digital geht es zu, im Hause Raether?
Als aktiver Twitter-Nutzer, der beruflich wie privat viel im Netz unterwegs ist. Gibt es Regeln für den Medienkonsum der Familie Raether?
Wir streiten darüber und einigen uns dann auch gemeinsam. Zum Beispiel kein Telefon am Frühstückstisch. Das hat mein Sohn vorgeschlagen, weil die Grenzen so fließend sind zwischen „Vater liest Zeitung auf dem Telefon“, „Vater twittert beruflich“ und „Vater spielt Wordfeud“. Man sieht das ja nicht, also lieber gar nicht.
Insgesamt haben wir oft über Medienkonsum geredet, aber mehr über Inhalte und über Positives, nicht so sehr darüber, wie lange oder wann oder so. Nach meiner Erfahrung sind Kinder mit 13 alt genug und verantwortungsvoll genug, um das selber einzuschätzen – nicht weniger, sondern eher mehr, als Väter mit 51 es unter Umständen sind.
Wie findet digitales Lernen in der Schule Ihrer Kinder statt?
Es hängt sehr von der einzelnen Lehrerin und dem einzelnen Lehrer ab. Die Ausrüstung finde ich persönlich mangelhaft, es wird vorausgesetzt, dass alle Familien selbst Laptops oder iPads oder PCs haben, das finde ich zu viel verlangt. Es gibt pädagogisch, soweit ich das erkenne, keine klare Linie, und im Grunde müssen sich die Lehrer:innen auf die selbst erworbene Digitalkompetenz der Kinder verlassen und auf die Vermittlung der Eltern.
Hat sich das auch während des Homeschoolings dieses Frühjahr bemerkbar gemacht?
Ja, das war ganz abhängig von der individuellen Lehrkraft. Am besten hat mir die Reaktion einer Kunstlehrerin gefallen. Sie hat ganz liebevoll eine interaktive Webseite programmiert und zu Beginn der Schulschließung den Kindern mitgeteilt: Macht, so lange die Schule zu ist, ein Projekt, wie auf der Webseite beschrieben, und wenn ihr wollt, ladet was hoch, oder ihr bringt es mit, wenn wir uns wiedersehen.
Also: viel Freiheit, aber mit der Möglichkeit, digital was zu machen. Insgesamt jedoch war es lange Zeit sehr chaotisch. Viel schlimmer finde ich, dass mit dem Schuljahresbeginn nach der ersten Corona-Phase so gut wie nicht an diese angeschlossen wird: kaum Anerkennen, dass das halbe Jahr davor für alle unterschiedlich und oft sehr schwierig war, keine Rücksicht auf Lücken und so weiter. Es geht einfach weiter, fast, als wäre nichts gewesen.
Was ist Ihr Wunsch für die digitale Zukunft Ihrer Kinder?
„Ich sehe die digitale Zukunft nicht als getrennten Bereich, sondern absolut verwoben mit und ununterscheidbar von dem, was wir analog nennen.“
Die richtige Balance zu finden zwischen Verantwortung und Spaß, also: dabei zu sein, aber sich nicht komplett einfangen zu lassen, aufzupassen und loszulassen zugleich. Das ist sicher ein lebenslanges Projekt. Und auch nicht anders als sonst im Leben. Ich sehe die digitale Zukunft auch nicht als getrennten Bereich, sondern absolut verwoben mit und ununterscheidbar von dem, was wir analog nennen. Eine ideale digitalisierte Schulbildung bedingt daher aus meiner Sicht, eine Anleitung zur Selbstbildung bei demokratisch guter Ausstattung für alle.
Welche digitalen Tools lassen Sie Ihre Kids gerne nutzen?
„Nicht: Youtube ist schlecht für dich, sondern: Ich finde, Youtube verfolgt unklare Ziele und zeigt dir ungefilterten Müll, lass dir das nicht gefallen.“
Die Frage stellt sich bei Teenagern realistischer Weise nicht mehr. Sie nutzen die großen, bodenlosen Plattformen genauso wie spezialisierten Nischenkram, wobei ich nur noch über die Nutzung von Youtube, Pinterest oder Instagram mit ihnen diskutiere, aber ganz allgemein und eher politisch als pädagogisch motiviert. Also, vereinfacht gesagt, nicht: Youtube ist schlecht für dich, sondern: Ich finde, Youtube verfolgt unklare Ziele und zeigt dir ungefilterten Müll, lass dir das nicht gefallen.
Wie bleiben selbst Sie fit, um die sich rasant verändernden digitalen Möglichkeiten anwenden zu können?
Ich liebe Memes, ich gebe mir Mühe, freundliche und informierte Menschen auf Twitter zu finden, ich suche mir für alles, was mich interessiert, eine App. Das heißt, ich sehe das nicht so sehr als „fit bleiben“, sondern ich suche einfach im Digitalen genau wie im Analogen Dinge und Menschen, die mir Freude machen, und vermeide solche, die mir keine Freude machen, dadurch sehe ich das nicht als Aufwand, sondern als normale, alltägliche Lebenspraxis.
Zur Person
Till Raether, 1969 in Koblenz geboren, ist Schriftsteller, Journalist und Kolumnist. Er schreibt nicht nur Kriminalromane, sondern auch über Sex und Beziehungen, Eltern sein und Erziehung, aber auch Traurigkeit und Depressionen. Er lebt mit seiner Frau und zwei Teenagern (13 und 16 Jahre) in Hamburg Altona.