I Bartling Ba

Vorbild

Schüler drucken in 3D

Nebenbei lernen die Kinder bei Lehrer Ingo Bartling, unternehmerisch zu denken.

An zahllosen Orten Deutschlands bringen Lehrerinnen und Lehrer digitale Inhalte und Ansätze in die Klassenzimmer. In der Serie „Das Vorbild“ stellt Coding Kids Pädagogen und ihre ausgewählten Projekte vor. Lehrer Ingo Bartling aus Pfaffenhofen bei München unterrichtet an seinem Gymnasium vor allem Informatik von der sechsten Klasse bis hin zum Abitur. Dabei wählt er auch ungewöhnliche Zugänge zum Thema. So ließ er ein Projektseminar zum Thema 3-D-Druck damit beginnen, dass die Schüler zunächst Gelder für den Kauf eines Gerätes einwerfen mussten. Ein Interview über seine Erfahrungen.

Herr Bartling, wie nutzen Sie digitale Inhalte und Techniken in der Praxis?

Ingo Bartling
Ingo Bartling

Das Unterrichten hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert: Es gibt immer mehr digitale Tafeln, iPad-Klassen, Beamer und Dokumentenkameras sowie Lernplattformen wie Moodle oder mebis in Bayern. Als Nutzer stelle ich mir die Frage: Brauche ich das wirklich? Haben ich und meine Schüler einen echten Mehrwert? Diese Frage ist, was das Geschehen im Klassenzimmer betrifft, nicht einfach zu beantworten. Denn was in einem Jahr gut funktioniert, funktioniert im nächsten vielleicht nicht mehr, da jede Klasse eine andere Sozial- und Leistungsstruktur besitzt. So bedarf es meist mehrerer Jahre, bis sich ein klarer Vorteil oder Nachteil eines neuen Ansatzes zeigt.

Hinzukommt, dass eine klassische Unterrichtsvorbereitung für „digitale“ Stunden mit dem Schulbuch zu Hause am Schreibtisch oft nicht mehr sinnvoll ist: Um bestimmte Abläufe oder Softwarepakete auszuprobieren, bräuchte ich die digitale Tafel. Kurse auf Lernplattformen müsste ich aus Schülersicht testen. Auch die Farbechtheit und Lichtstärke von Dokumentenkamera und Beamer ist nicht immer bekannt. Und selbst wenn all diese Hürden genommen wurden, und ein vermeintlich guter Unterricht mit Einsatz der digitalen Tafeln und Beamer geplant wurde, kann es sein, dass die Technik versagt: dass der Beamer defekt ist, der Computer nach einem Update nicht mehr funktioniert, der Stift für die digitale Tafel verschwunden ist.

„Für meinen Unterricht hat sich in den vergangenen Jahren die Dokumentenkamera zusammen mit einem Beamer zur eierlegenden Wollmilchsau entwickelt.“ Ingo Bartling

Für meinen Unterricht hat sich in den vergangenen Jahren daher die Dokumentenkamera zusammen mit einem Beamer zur eierlegenden Wollmilchsau entwickelt. Ich will sie in keinem Unterrichtsraum mehr missen. Die Kamera ist recht zuverlässig und die Beamer sind auch nur selten defekt. Durch die Dokumentenkamera lassen sich Hausaufgaben von Schülern nachvollziehbarer besprechen, ich lasse farbige MindMaps erstellen oder fülle gemeinsam mit den Schülern Arbeitsblätter aus. Im Fremdsprachenunterricht ist auch denkbar, Videos aufzunehmen. An zweiter Stelle kommt für mich die digitale Tafel. So kann ich meine Tafelanschriebe aufzeichnen und den Schülern auf einer Lernplattform wieder anbieten. Wenn Schüler etwas versäumen, können sie den Stoff einfacher nachholen.

Ein nächster möglicher Schritt wäre für mich der Einsatz eines iPads, dessen Bildschirm über den Beamer gezeigt wird. Aufzeichnen und nachträgliches Vertonen des Tafelanschriebs wäre durch eine entsprechende App möglich. Der Unterricht könnte so auf Videoplattformen zur Verfügung gestellt werden, wie es schon viele Professoren mit ihren Vorlesungen machen.

Auf welches digitale Projekt sind Sie besonders stolz?

Durch den Wechsel von G9 auf G8 wurde in Bayern ein sogenanntes P-Seminar eingeführt, bei dem ein Projekt durchgeführt wird und die Schüler sich auch beruflich orientieren. Der inhaltliche Schwerpunkt des Projekts wird durch das Fach vorgegeben, das Thema durch den jeweiligen Lehrer. In meinem Fall sind das Themen wie „Bau von Robotern“, „Entwickeln von schüleraktivierenden Spielen“, „Inbetriebnahme eines 3D-Druckers“, „Produktion von Informatik-kritischen Kurzfilmen oder „Bau von Flugdrohnen“. Ich formuliere die Themen bewusst sehr frei und offen. Durch das enge Korsett des G8 haben viele Schüler oft bis zum Beginn der elften Jahrgangsstufe noch nie erfahren, was es heißt, monatelang an einem Projekt zu arbeiten. Umso mehr freut es mich, wenn großartige Ergebnisse entstehen.

So entwickelte ein Team im Rahmen des P-Seminars „Entwickeln von schüleraktivierenden Spielen“ ein Computerspiel, bei dem Schüler auf der Stelle und seitlich hüpfen und dadurch eine Spielfigur auf dem Bildschirm steuern. Die Bewegung des Spielers wurde durch das System Microsoft Kinect erkannt und durch das Computer-Programm der Schüler umgerechnet. Auch bei anderen Spielen dieses P-Seminars steuerten Schüler eine Spielfigur über aufgezeichnete Bewegungen: Virtuelle Gegenstände mussten gefangen oder Hindernisse überwunden werden.

Auf welche Hürden sind Sie dabei gestoßen?

Mein P-Seminar mit dem ungewöhnlichsten Verlauf war zum Thema „Inbetriebnahme eines 3D-Druckers“. Mit zwölf Schülern einen einzigen Drucker zusammenzubauen, hielt ich anfangs nicht für sinnvoll. Wer sollte schrauben? Was tun die anderen solange? Was, wenn es nicht klappt? Also legte ich den Schwerpunkt des Seminars zunächst auf das Sammeln von Spendengeldern. Die Schüler sollten lernen und ausprobieren, wie man Gelder für ein Projekt einwirbt. Heutzutage ist dies eine gängige Vorgehensweise bei der Gründung von Firmen, wie etwa der Erfolg von Internetplattformen wie kickstarter.com belegt.

Die Schüler schrieben Briefe an Firmen und wir sammelt genug Geld für den Kauf eines kleinen, bereits zusammengebauten 3D-Druckers. Die ersten vier Monate des 18 Monate dauernden Seminars waren damit vorbei und das Ziel „Inbetriebnahme eines 3D-Druckers“ war erreicht. Wie sollte es also weitergehen? Auch dies ist eine übliche Situation für Unternehmer: Wie kann man neue Märkte erschließen? Welche Produkte ließen sich noch absetzen? Kurz: Was nun? Die Schüler teilten sich in kleine Gruppen auf. Die erste erstellte eine Dokumentation für nachfolgende Schüler, die zweite Gruppe untersuchte die Möglichkeiten des 3D-Scannings mit Hilfe von Microsoft Kinect. Wieder andere Schüler programmierten eine Internetseite. Sie testeten auch verschiedene 3D-Modellierungssoftwares.

„​Um diese Einzelaktivitäten sinnvoll unter ein gemeinsames Dach zu bringen, rief ich als neues Ziel die Gründung einer Schülerfirma aus.“ Ingo Bartling

Um diese Einzelaktivitäten sinnvoll unter ein gemeinsames Dach zu bringen, rief ich als neues Ziel die Gründung einer Schülerfirma aus. Dieses Ziel haben wir zwar nicht ganz erreicht, aber meine Schüler haben mit 3D-gedruckten Plätzchenausstechern und Schmuck beim Weihnachtsbasar eine Summe eingenommen und im Anschluss gespendet. Was ich rückblickend völlig überschätzt habe, ist die Auslastung des 3D-Druckers. Ich dachte, dass der 3D-Drucker in vielfältigerer Weise und öfter eingesetzt würde. Vor allem im Rahmen von künstlerisch orientierten Projekten. Zum einen ist die Software, die für die Erstellung von 3D-Objekten nötig ist, nicht einfach zu benutzen. Zudem fallen umsetzbare Ideen nicht vom Himmel. Ich hatte erwartet, dass beispielsweise in rauen Mengen Handyhüllen, Schlüsselanhänger oder Schalen für USB-Sticks gedruckt würden. Die Kreativität der Schüler wurde jedoch erst kurz vor dem Weihnachtsbasar angeregt. Dann erst wurden Unmengen verschiedenster Plätzchenausstecher und Anhänger entworfen und aus den verschiedensten Materialien gedruckt.

Was haben Sie aus dem Projekt mitgenommen – und was können andere Pädagogen daraus lernen?

Projekte müssen gut strukturiert werden. Für jeden Schritt muss eine Handlungsalternative vorliegen bzw. es muss möglich sein, das Projekt anderweitig weiterzuführen. Bei Projekten, deren Schwerpunkt darauf liegt, etwas zu beschaffen, muss über den Punkt des Beschaffens hinaus geplant werden. Ich brauche Alternativen für den Fall, dass die Beschaffung zu langsam, zu schnell oder gar nicht klappt. In jedem Fall sollte das entsprechende Gerät vorsichtshalber beim Sachaufwandsträger beantragt werden. Einfach für den Fall der Fälle.

In jeder Schülergruppe gibt es sehr engagierte und weniger engagiert Schüler. Es gibt kreative und weniger kreative, gewissenhafte und weniger gewissenhafte. Das müssen Lehrer bei der Projektplanung berücksichtigen. Für jeden Teilnehmer muss etwas dabei sein, an dem der oder diejenige sich profilieren und sich selbst erfahren kann.

Trotz aller Vorausplanung sollte, im Sinne eines modernen Projektmanagements, das Vorantreiben des Projekts und die Verteilung der Aufgaben bei den Schülern liegen. Als Lehrer ist man vor allem Beobachter und gibt möglichst wenig Hilfestellung. Die beste Motivation ist meiner Erfahrung nach ein öffentlicher Auftritt. Wann immer möglich, sollte das Ergebnis des Projekts von Anfang an so geplant sein, dass die Schüler sozusagen in der Öffentlichkeit dafür gerade stehen müssen. Am besten verbunden mit einem nicht verschiebbaren Termin.

Zur Person

Ingo Bartling unterricht seit 2002 am Schyren-Gymnasium Pfaffenhofen an der Ilm. Er studierte Mathematik, Physik und Informatik und unterrichtet vor allem das Fach Informatik in den Jahrgangsstufen 6 bis hin zum Abitur. Nebenbei administriert er die Computerräume sowie alle Computer der Schule. Ebenso ist er zuständig für Overheadprojektoren, Dokumentenkameras, CD-Spieler und Drucker. Zusätzlich ist er Mitarbeiter im eLearning-Team Oberbayern-West. Zum Thema Unterricht und Informatik bloggt er regelmäßig. Auf ingo-bartling.de fasst er Unterrichtsmaterialen und Links für seine drei Fächer zusammen. Auf flow-learning.de fasst seine Rechercheergebnisse und Gedanken zum Thema Lernen nochmals zusammen. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

JETZT TEILEN

Die beliebtesten Themen