Machen

Jugend lötet

Das Elektrotechnik- und Informatik-Labor (dEIn Labor) an der TU Berlin möchte Jugendliche für MINT-Themen begeistern. Die Workshops wecken im Idealfall eine lebenslange Leidenschaft für Elektrotechnik und Informatik. Coding Kids war im Rahmen der Code Week vor Ort.

Stolz hält Claudia Ermel einen Geist in die Höhe. „Den haben wir zusammen mit Grundschülern gelötet“, sagt sie und lächelt den kleinen Kerl an. Jetzt wohnt er in Claudia Ermels Büro an der Technischen Universität in Berlin. Die Informatikerin zeigt das Innere des Geists: drei LED-Lämpchen und diverse Verdrahtungen, drum herum das weiße Gewand. Claudia Ermel, Jeans, blaue Bluse, warmes Lachen, arbeitet seit 1989 an der TU. Hier hat sie ihre Diplomarbeit geschrieben und auch promoviert. Und hochanspruchsvolle Literatur verfasst. In der Informatik, ihrem Fach. Trotzdem möchte sie nicht in einem Elfenbeinturm sitzen. Seit fünf Jahren leitet die 52-Jährige das dEIn Labor. Claudia Ermel kann hier ihre zwei Leidenschaften miteinander verbinden: Informatik und die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.

Schulklassen können in den Workshops eigenständig und wissenschaftsnah experimentieren.

Das dEIn Labor versteht sich als außerschulischer Experimentier- und Lernort. Es bietet für Schüler ab der fünften Klasse Tagesworkshops an. Je nach Alter und Bildungsstand der Gruppe wird ein Projekt ausgewählt: In Robotik bauen die Schüler einen Roboter als Haushaltshilfe, in Elektrotechnik einen Motor. In Elektro-Akustik lernen die Jugendlichen, wie man einen Synthesizer fertigt. Und die „Anfänger“ aus der fünften Klasse? Sie erschaffen durch Löten einen LED-Geist, wie er bei Claudia Ermel im Büro wohnt. Studenten fungieren als Tutoren und führen durch den Tag an der Uni. Die Resonanz auf die Workshops sei durch die Bank positiv. Viele Lehrer kommen Jahr für Jahr wieder mit ihren Schülern. „Wir fahren die Werbung für unsere Labor-Arbeit langsam zurück, sonst kommen wir nicht mehr hinterher und müssen zu vielen Anfragen eine Absage erteilen“, sagt Claudia Ermel. Allein in 2017 haben bis Ende Oktober bereits 2000 Schüler das Labor besucht.

„Wenn die Jugendlichen selbstvergessen und voller Hingabe löten oder programmieren, freue ich mich jedes Mal.“ Dr. Claudia Ermel

„Ich habe mich schon in der Schule für Mathe begeistert – so kam der Wunsch auf, in diese Richtung zu studieren. Damals hatte ich nicht mal einen Computer“, sagt Claudia Ermel. Ihrer Meinung nach sei es gerade für Mädchen wichtig, früh mit den Themen Elektrotechnik und Informatik in Berührung zu kommen. Eine Erfahrung sei nämlich existenziell: Dass es Spaß macht, aus einer leeren Chipsdose einen Verstärker zu bauen oder ein Spiel fürs Handy zu programmieren. „In der Oberstufe ist es häufig schon zu spät. Da haben die Mädchen längst zu verstehen bekommen, dass MINT-Berufe etwas für Jungs sind. Wie sollen wir da noch Überzeugungsarbeit leisten?“, fragt Claudia Ermel. Ihr großer Moment sei es, wenn Teenager im Workshop ihre ganze Coolness vergessen. „Es dauert ein bisschen, bis sie Begeisterung zeigen können, so sind Jugendliche nun einmal. Aber wenn sie dann selbstvergessen und voller Hingabe löten oder programmieren, freue ich mich jedes Mal“, sagt Claudia Ermel.

Das dEIn Labor wird von der Fakultät IV (Elektrotechnik und Informatik) an der TU Berlin finanziert, die Workshops sind für die Klassen kostenfrei. Für Claudia Ermel ist es aber auch wichtig, Partner an ihrer Seite zu wissen, die einen finanziellen Beitrag leisten. „Im Rahmen der Code Week 2017 war das SAP. Wir konnten mit den Geldern viel Verbrauchsmaterial kaufen. Das ist deshalb so schön, weil die Teilnehmer ihre Ergebnisse dann auch mit nach Hause nehmen können“, sagt Claudia Ermel.

  • Die LED-Geister leben in Frau Ermels Büro
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  • Frau Dr. Ermel freut sich besonders, wenn sie Mädchen für Technik begeistern kann
    Frau Dr. Ermel freut sich besonders, wenn sie Mädchen für Technik begeistern kann
  • Dieses Gefährt fährt mit einem Elektromotor durchs Labor
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  • Im Stop Motion Workshop drehen die Schüler Szenen, daraus wird ein Film
    Im Stop Motion Workshop drehen die Schüler Szenen, daraus wird ein Film

Die Labor-Leiterin wünscht sich, mit den Workshops zukünftige Studenten für ihre Fächer gewinnen zu können. Einmal sei das bereits gelungen, dass ein Teilnehmer später als Student zu ihr kam. „Im ersten Schritt würde aber schon ein besserer Informatik-Unterricht an der Schule helfen“, sagt Claudia Ermel. Viele Informatik-Lehrer hätten das Fach nicht studiert. „Wie soll bei den Schülern da der Funke überspringen, die Leidenschaft für Technik entfacht werden?“ Bei ihren Tutoren sei das etwas ganz anderes, sie nehmen die Kinder richtig mit. Denn sie studieren ein Fach, für das sie brennen und sind allein schon wegen ihres Alters nah dran an den Schülern.

Dr. Claudia Ermel mit Coding Kids Autorin Kira Brück
Dr. Claudia Ermel mit Coding Kids Autorin Kira Brück

Eine Frage hätten wir zum Schluss noch: Warum werden die Workshops ab der fünften Klasse angeboten? „Ab einem Alter von zehn Jahren ist das Abstraktionsvermögen soweit, technische Zusammenhänge zu verstehen und auch darüber zu reden“, sagt Claudia Ermel. Ihrer Meinung nach sollen jüngere Kinder rausgehen, die Natur mit allen Sinnen erfahren oder auch mal selber einen Stromkreis aus einem Steckbrett stecken. „Es gibt da gerade diesen Hype, dass Eltern glauben, ihre Kinder so früh wie möglich an die Digitalisierung heranführen zu müssen. Dabei ist Wischen auf dem Smartphone keine Kernkompetenz. Nur die reale Welt mit all ihren Sinneseindrücken hilft jüngeren Kindern, so wichtige Denkfähigkeiten wie Abstraktion zu lernen. Damit sind die Kinder dann später für die Digitalisierung viel besser gerüstet.“

So sieht das Ergebnis eines Stop Motion Workshops aus
So sieht das Ergebnis eines Stop Motion Workshops aus
„Am meisten Spaß macht den Schülern das Löten. Wahrscheinlich, weil es ein bisschen gefährlich ist.“ Dr. Claudia Ermel

Claudia Ermel führt uns noch durch die Labor-Räume. Gerade ist eine Gruppe Mädchen dabei, Szenen mit Playmobil-Figuren zu fotografieren, aus denen später ein Stop-Motion-Film geschnitten wird. Es geht darum, wie digitale Bild- und Videodateien aufgebaut sind und eine Kamera funktioniert. Die Schülerinnen schlüpfen in die Rollen der Regisseurin, Kamerafrau und Szenenbildnerin. Claudia Ermel beobachtet das geschäftige Treiben. Dann gehen wir weiter ins nächste Labor und lassen ein kleines Elektro-Fahrzeug eine Linie entlangfahren. „Am meisten Spaß macht unseren Schülern aber das Löten. Wahrscheinlich, weil es auch ein bisschen gefährlich ist“, sagt Claudia Ermel und schmunzelt.

Hier können Schüler in Berlin und Brandenburg experimentieren

Das dEIn Labor gehört dem Netzwerk GenaU (Gemeinsam für naturwissenschaftlichen Unterricht) an. Hier haben sich Schülerlabore an Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Museen in Berlin und Brandenburg zusammengeschlossen. Das Programm ist umfassend – es werden Experimentierkurse, Lehrerfortbildungen und Seminare angeboten. Auf der GenaU-Website gibt es eine Suchfunktion, über die man das passende Angebot für sich oder sein Kind findet.

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