Vorbild Philipp Staubitz

Vorbild

So geht Gamification des Unterrichts

Lehrer Philipp Staubitz arbeitet an einem sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum. Um seine Schüler auf einer völlig neuen Ebene zu motivieren, hat er seinen Unterricht „gamifiziert“, also in ein Spiel eingebettet.

An zahllosen Orten Deutschlands bringen Lehrerinnen und Lehrer digitale Inhalte und Ansätze in die Klassenzimmer. In der Serie „Das Vorbild“ stellt Coding Kids Pädagogen und ihre ausgewählten Projekte vor. Sonderpädagoge Philipp Staubitz nutzt das Online-Rollenspiel Classcraft, bei dem die Schüler sich zu Beginn einen Avatar aussuchen, den sie im Laufe des Schuljahres kontinuierlich weiterentwickeln können.

Herr Staubitz, wie nutzen Sie digitale Inhalte und Techniken in der Praxis?

Philipp Staubitz
Philipp Staubitz

Ich nutze digitale Medien sehr häufig in meinem Unterrichtsalltag und empfinde es als ungemeine Arbeitserleichterung und vor allem als große Motivation für meine Schüler.

Durch ein Crowdfunding konnten wir im letzten Schuljahr mit einer iPad-Klasse starten, in der jeder Schüler über ein eigenes Gerät verfügt. Seither sind die Geräte fester Bestandteile meines Unterrichts und werden in sehr unterschiedlicher Weise eingesetzt, immer dann, wenn es inhaltlich und methodisch passt:

  • Visualisierung: Ersatz der klassischen Tafel, des Tageslichtprojektors und der Dokumentenkamera
  • Klassische Lernapps (z.B. in den Fächern Mathematik und Deutsch)
  • Webbasierte Lernbausteine (z.B. learningapps.org, learningsnacks.de)
  • Arbeiten mit QR-Codes
  • Dokumentation von Unterrichtsinhalten in digitaler Form: eBooks erstellen, Filme und Videos aufnehmen
  • Erklärvideos erstellen und abspielen
  • Filmprojekte im Unterricht oder in Projektwochen
  • Gamification des Unterrichts mit Classcraft

Natürlich arbeiten die Schüler auch weiterhin mit Büchern, Heften und schreiben auf Papier. Die digitalen Inhalte sollen die klassischen Methoden keineswegs ersetzen, sondern an passender Stelle erweitern und neue Zugänge zu einer Thematik schaffen.

Wie reagieren die Schüler auf Ihren digitalen Unterricht?

Zum Weiterlesen:

Die Schüler haben die digitalen Unterrichtselemente von Beginn an sehr positiv aufgenommen. Sie waren durchweg motiviert mit den iPads und den darüber zur Verfügung gestellten digitalen Inhalten zu arbeiten und forderten dies auch immer stärker ein.

Mit zunehmendem Einsatz zeigten sich die Schüler sicherer und verantwortungsbewusster im Umgang mit den Geräten. So war es nach ein paar Monaten auch schon möglich, nicht nur vom Lehrer aufbereitete Inhalte zu konsumieren, sondern auch eigenständig Elemente wie z.B. Lernvideos oder eBooks zu erstellen.

Auch das Einhalten von gemeinsam getroffenen Vereinbarungen und Regeln im Umgang mit den Geräten und den digitalen Inhalten stellte überhaupt kein Problem dar. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass es um die eigentliche Sache, das Lernen, geht. Auch nach mehreren Schuljahren und nachdem sich eine gewisse Normalität des digitalen Arbeitens eingestellt hat, ist die Motivation der Klasse ungebrochen.

Auf welches Projekt sind Sie besonders stolz?

„Die wichtigste Erkenntnis für mich ist aber, dass man manchmal einfach loslegen muss und nicht alles zu sehr verkopfen sollte.“ Philipp Staubitz

Da ich an einem sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum arbeite, ist vor allem das Begeistern und Motivieren für ein Thema von zentraler Bedeutung für das nachhaltige Lernen der Kinder und Jugendlichen. Aus diesem Grund habe ich zu Beginn des letzten Schuljahres begonnen, meinen Unterricht zu „gamifizieren“, also in ein Spiel einzubetten.

Hierzu nutze ich das Online-Rollenspiel Classcraft, bei dem die Schüler sich zu Beginn einen Avatar aussuchen, den sie im Laufe des Schuljahres kontinuierlich weiterentwickeln können. Der Lehrer hat hierbei die Aufgabe, die Schüler sowohl im Positiven (Erfahrungspunkte, Gold) als auch im Negativen (Verlust von Gesundheitspunkten) zu bewerten. Im Idealfall sammelt man viele Erfahrungspunkte, steigt im Level auf und kann seine Figur mit neuen Rüstungen, Haustieren und Eigenschaften ausstatten. Im anderen Fall führt der Verlust von Gesundheitspunkten zu einer direkten Konsequenz. Die zu Grunde liegenden Regeln wurden gemeinsam mit der Klasse erarbeitet und von den Schülern am Ende eines Schultages selbst reflektiert.

Besonders stolz bin ich auf dieses Projekt, da wir es gemeinsam als Klasse weiterentwickelt und immer wieder an die aktuellen Herausforderungen angepasst haben.

Ab einem gewissen Zeitpunkt wurden beispielsweise Unterrichtsinhalte für den individuellen Wochenplan in digitaler Form über die zugehörige App angeboten. In diesem Zuge wurde die Eigenverantwortlichkeit über die Methode des „flipped classroom“ auch immer mehr auf die Seite der Schüler verlegt und ich fand mich zunehmend in der Rolle des Organisators und Lernbegleiters.

Die Methodik wurde von den Schülern derart gut aufgenommen, dass sie ihre Motivation und ihre Noten deutlich steigern und auch zunehmend Verantwortung innerhalb des Klassenverbandes übernehmen konnten. Auch im darauffolgenden Schuljahr wollte die Klasse weiterhin mit Classcraft arbeiten.

Auf welche Hürden sind Sie dabei gestoßen?

Die größte Herausforderung war definitiv der enorme Zeitaufwand für die Implementierung: Man muss sich in die Thematik einarbeiten, nötige technische Voraussetzungen schaffen, die Regeln und Wirksamkeit kontinuierlich evaluieren und das Ganze natürlich noch didaktisch sinnvoll in den eigentlichen Unterricht einbauen. Man konnte zwar im Internet immer wieder von vereinzelten Pionieren im deutschsprachigen Raum lesen, die Classcraft bereits eingesetzt hatten, eine richtige Vernetzung und ein konkreter Erfahrungsaustausch waren aber kaum möglich.

Eine derart umfangreiche Methode in einem Kollegium zu implementieren und gemeinsam weiterzuentwickeln, ist erfahrungsgemäß zunächst sehr schwierig und man steckt viel eigenen Idealismus und Freizeit in die Sache.

Was haben Sie aus dem Projekt mitgenommen und was können andere Pädagogen daraus lernen?

Ich habe unglaublich viele positive Eindrücke und Erfahrungen aus dem Projekt mitgenommen. Das alles war für mich persönlich auch völliges Neuland und ich habe viel dazulernen können, sowohl im pädagogisch-didaktischen Bereich als auch im Bereich des Digitalisierens von Unterricht.

Die wichtigste Erkenntnis für mich ist aber, dass man manchmal einfach loslegen muss und nicht alles zu sehr verkopfen sollte. Vor allem der Bereich der Digitalen Medien ist für viele mit Ängsten und Unsicherheiten verbunden und wird daher häufig vollständig ausgeklammert, was ich persönlich sehr schade finde. Es muss nicht immer gleich das Riesenprojekt und die üppigste technische Ausstattung sein, um gewinnbringend mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten zu können. Wenn man es schafft, derartige Projekte im Kleinen zu starten und diese auch gemeinsam mit den Schülern weiterzuentwickeln, dann bin ich mir sicher, dass man viel Gewinnbringendes für sich und die Klasse mitnehmen kann.

Zur Person:

Philipp Staubitz (31) arbeitet als Sonderpädagoge an einem Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) mit dem Förderschwerpunkt Lernen (ehemals Förderschule) in Achern-Fautenbach im Schwarzwald. Nebenbei ist er in der Lehrerfortbildung des Regierungspräsidiums Freiburg im Bereich Digitale Medien und am staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung in Freiburg tätig. Philipp Staubitz arbeitet seit seinem Referendariat seit etwa sechs Jahren mit dem iPad und digitalen Medien und hat hier sehr vielfältige Erfahrungen gesammelt, die er in seinem Blog Ideenwolke-ipad regelmäßig dokumentiert.

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