Keine Frage, die Sache mit dem Internet ist für viele Neuland. Und das ist auch total okay so. Eltern müssen nicht in jeder Lebenssituation aus dem Stehgreif über alles Bescheid wissen und den Kindern sagen, wo es lang geht. Eine Entwicklung, die ich in diesem Zusammenhang aber schwierig finde, ist diese hier: Verunsicherte Eltern kaufen Bücher von Digital-Panikmachern und verbieten ihren Kindern nach der Lektüre das Internet. Ganz! Verbieten geht schließlich schneller, als sich sachlich mit einem Thema auseinanderzusetzen und sich sorgfältig zu informieren. Für diese Eltern ist es eigentlich ein Segen, dass Panik-Autoren sie an die Hand nehmen. Deren Botschaft: Ihr müsst euch gar nicht damit befassen, denn das Internet ist schädlich. Ihr müsst es nur verbieten.
Ein Beispiel: Der bekannteste Vertreter der Internet-Alarmisten Manfred Spitzer schreibt: „Ich würde Nintendo, Playstation und Ähnliches verbannen und meinem Zehnjährigen auch niemals einen iPod touch kaufen, denn da ist er viel zu schnell im Internet. [...] Meine Empfehlung an die Eltern ist ganz klar: Beschränkung. Je später die Kinder damit anfangen, desto besser ist es. Es gibt so viele tolle Sachen, die man als Mensch lernen kann. Warum die Zeit vertun mit digitalem langweiligem Schnickschnack, der einen im Leben nicht weiterbringt?”
Tja, was soll man dem entgegensetzen? Wo wir doch alle wissen: Verbieten bedeutet, dass die Kinder die Dinge, die sie tun möchten, woanders tun. Außerdem: Das Internet ist keine Jahreszeit, die nach ein paar Monaten wieder „weggeht“. Es wird bleiben, Teil der Lebensrealität aller sein. Wäre es dann nicht besser zu fragen: Was können wir für unsere Kinder tun, um sie vor den tatsächlichen Gefahren zu schützen? Ich denke hier an reale Probleme wie Cybermobbing und Cybergrooming.
Die Strategie der Panik-Autoren
Gegen Panik hilft Wissen
Wie informiert man sich als Mutter oder Vater adäquat? Schlau machen die Angebote dieser Seiten:
Hilfe im Akutfall gibt es hier:
Um einmal die Panik-Strategie der einschlägigen Autoren zu erklären (die mit ihrer Masche übrigens aus Elternängsten Gold machen können), ihr Rezept ist erstaunlich einfach:
1. Man suche sich Eltern als Zielgruppe, die sich mit dem Internet und digitalen Medien nicht gut auskennen und deshalb in Sorge sind, denn in der Tagespresse haben sie schon von den Gefahren (Sucht, Aggression, Empathielosigkeit, Vereinsamung) gelesen.
2. Man suche erschreckende Einzelfälle, die diese Ängste belegen und beschreibe sie ausführlich in einem Buch.
3. Man streue einige Studien ein, in denen Korrelationen mit Kausalitäten vermischt werden. Beispiel: Ein Anstieg von 8% in der Suizidrate von Kindern und gleichzeitig 30% mehr Smartphones bei den unter 13-jährigen -> Handys machen depressiv und führen zu Suizid.
4. Man empfehle das Internet, soziale Plattformen und Computerspiele zu verbieten.
Aber die Panik-Strategie geht eben nicht wirklich auf: Es gibt Studien, etwa die U-25-Studie des deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit 2018, die zeigen: „Eltern scheinen in einer, zum Teil dauerhaften, Alarmbereitschaft mit Blick auf die Internet-Nutzung ihrer Kinder zu sein – häufig jedoch ohne zu wissen, was genau zu tun wäre. Diese Unsicherheit nehmen letztlich auch die oft schon größerenKinder wahr: Eltern können oft nur schwer vermitteln, warum sie beständig zur Vorsicht im Umgang mit dem Internet mahnen. Solange die Kinder noch klein sind, akzeptieren sie bis zu einem gewissen Alter die gesetzten Regeln, auch wenn sie nicht nachvollziehen können, warum bestimmte Dinge verboten und andere erlaubt sind. Spätestens ab 14 Jahren betonen die Jugendlichen jedoch, dass ihnen die pauschalen Warnungen der Eltern nicht viel bedeuten und sie sich als deutlich überlegen hinsichtlich ihrer Internet-Kompetenz fühlen.”
„Eine differenzierte und informierte Haltung ist für Eltern essentiell.“
Patricia Cammarata
Deshalb – und diese Botschaft ist mir sehr wichtig: Eine differenzierte und informierte Haltung ist für Eltern essentiell. Das Internet ist wie das wahre Leben selbst: Es bietet viele positive Aspekte, hat aber auch Schattenseiten, denen wir angemessen begegnen sollten. Die Gefahren müssen konkret besprochen und Kinder gleich mit einer Lösungsstrategie ausgestattet werden. Am besten natürlich schon im Vorfeld, also präventiv. Für unsere Kinder ist es wichtig, dass wir konkret beschreiben und nicht pauschal warnen, denn nur so können sie unsere Bedenken verstehen. Aufklärung schützt am Ende deutlich besser als es Verbote tun.
Zur Person
Patricia Cammarata schreibt seit 2004 als dasnuf ein Blog, das sich u.a. um digitale Themen dreht. Sie ist Speakerin, Autorin und Podcasterin. Patricia ist Autorin des Buchs „Sehr gerne, Mama, du Arschbombe“ und schreibt gerade an einem neuen Buch über Kinder und digitale Medien.