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Meinung

Mit Videospielen zur Ruhe kommen? Das geht!

Spieleentwickler Timo Dries hat ein preisgekröntes Game entwickelt, das nicht permanent das Dopamin des Spielers triggert. Bei SHINE geht es darum, Technologie, digitale Geräte und Games sich selbst gegenüber verantwortungsbewusst zu nutzen. Hier erzählt er, wie es dazu kam.

Ich liebe Games! Und kann mich noch gut daran erinnern, wie ich als 13-Jähriger zum einzigen Videospieleladen in der Region geradelt bin. Eine Stunde mit meinem Jugendfahrrad, die Ersparnisse von vielen Stunden Zeitungen austragen in der Tasche. Das Game meiner Begierde? Donkey Kong Country für Super Nintendo. Ein Spiel, das mich nicht nur beeindruckt und nachhaltig geprägt, sondern auch das scheinbar Unmögliche möglich gemacht hat: Meine Eltern und meine Schwester mochten es genauso sehr wie ich – besonders die Unterwasserwelt. Gemeinsam spielten wir als Familie Super Nintendo und verbachten eine wunderbare Zeit.

Heute bin ich Spieleentwickler – und es sind genau diese Momente, die ich für Eltern und Kinder, für Spielerinnen und Spieler kreieren möchte. Mit dieser Vision trete ich an. Dabei haben Games nicht den allerbesten Ruf. Dopamin-Ausstöße im Sekundentakt. Sinnesreize, wohin man schaut. Irgendwelche Dinge einsammeln, ihnen ausweichen oder sie zerstören. Hauptsache, die Anzahl der Punkte geht stetig nach oben. Denn jedes geschaffte Level sorgt für eine kleine Portion Glück. Ja, wenn wir spielen, wird die Wohlfühlregion in unserem Hirn stimuliert, wir fühlen uns gut. Aber nur für einen Moment. Weil wir uns dieses Glück so sehr herbeisehnen, kann eine endlose Spielschleife, aus denen wir nur schwer wieder herausfinden, das Ergebnis sein.

Fürs Multitasking ist unser Hirn eigentlich nicht gemacht

Klar muss ich mich als Spieleentwickler mit diesem Thema auseinandersetzten. Dabei bin ich der festen Überzeugung, dass Games nicht fortwährend unser Dopamin triggern müssen, um uns zu faszinieren. Im Gegenteil: Fürs Multitasking aus Einsammeln, Ausweichen und Zerstören ist unser Hirn eigentlich nicht gemacht. Erledigen unsere beiden Frontallappen eine einzige Aufgabe noch gemeinsam, müssen sie sich bei der Bearbeitung von zwei Aufgaben ständig abwechseln. Kommt eine dritte Aufgabe hinzu, werden die vorläufigen Ergebnisse der ersten beiden Aufgaben in anderen Hirnregionen zwischengespeichert. Das kostet nicht nur Zeit, sondern geht auch zu Lasten von Konzentration und Merkfähigkeit. Auf Dauer macht uns das unzufrieden, wir fühlen uns überfordert. Also, das muss doch besser gehen.

„Unser Anspruch war es, ein Spiel zu entwickeln, das auf die Mechanik aus Reiz und Belohnung verzichtet.“ Timo Dries

Das war der Anspruch, als mein Team und ich mit der Entwicklung von „SHINE - Journey of Light“ begonnen haben. Das Spiel verzichtet auf die Mechanik aus Reiz und Belohnung. Es geht nicht darum, die im Spiel verbrachte Zeit zu maximieren oder konstant zu interagieren. Es geht vielmehr darum, beim Spielen zur Ruhe zu kommen. Und darum, Technologie, digitale Geräte und Games sich selbst gegenüber verantwortungsbewusst zu nutzen. Wenn wir uns darauf einlassen, kann Erstaunliches passieren. Ein jugendlicher Nutzer schrieb mir neulich: „Ich leide unter Angststörungen und Panikattacken, mit eurem Spiel aber finde ich Entspannung und kann den Attacken sogar vorbeugen. Ich danke euch so sehr!“. Seine Zeilen haben mich sehr berührt – und mich darin bestärkt, dass es in der Diskussion um das Wohl und Wehe von Games nicht nur darum gehen muss, weniger Zeit mit ihnen zu verbringen, sondern eine andere Zeit.

Zur Person

Timo Dries ist Executive Director des Entwicklerstudios Fox & Sheep in Berlin. Er liebt es, schöne und lustige Dinge zu kreieren, vor allem für Kinder. Timo hat drei davon, er lebt und arbeitet nach dem Motto: Growing up is giving up!

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