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Wege in digitale Berufe (1): Game-Entwickler_in

Juhu, er programmiert Videospiele!

Der Sohn unseres Autors Maximilian Gaub hat eine Ausbildung als Videospielingenieur begonnen. Wie es dazu kam, was es dazu braucht, wie seine Perspektiven in diesem Markt aussehen – und warum er es großartig findet.

Es begann mit Pong. Das Ur-Game war auch das Einstiegsvideospiel meines heute 18-jährigen Sohns. Links und rechts zwei Striche, bewegbar nach oben und unten, dazwischen ein Ball, der von diesen abprallt. Das Ziel: den Ball hinter den gegnerischen Strich zu bringen. Doch dieses digitale Tischtennis war nicht das erste Game, das er spielte – sondern das er programmierte.

Es folgte ein Geo-Quiz auf einer unbeschrifteten Weltkarte mit Fragen wie „Wo landete Kolumbus?“, schließlich entwickelte er ein Game namens Demon Grave: Ein Magier in einer Arena muss mehrere Angriffswellen fantastischer Wesen überleben. Design, Code, Spielmechanik von ihm. Ich war früh stolz und beeindruckt.

Der Weg: Mechaniker von Game-Motoren

S Leon Programmierer

Im Herbst 2019 zog er von München nach Berlin, er begann eine Ausbildung an einer Akademie für Videospielproduktion. Genauer: Er wird in zwei Jahren zum Game Engineer (Berufsbilder der Gamesbranche: siehe unten) Level 1 ausgebildet. Wenn Games Autos sind, schraubt er die Motoren zusammen, die sich die Kollegen aus der Konzeption ausgedacht haben – während sich die Grafiker mit einem schicken Design um die Karosserie kümmern.

Bedeutet in Fachsprache übersetzt: „Die technische Umsetzung der Spielideen, Mechaniken und Features, die Entwicklung von Tools oder das Einbinden von 2D- und 3D-Grafiken in die eingesetzte Game Engine“, wie die Akademie meines Sohnes, die School4Games, auf ihrer Webseite schreibt. (Wege in die Videospielbranche: siehe unten). Seit ein paar Monaten steigt er nun tiefer ein in Programmiersprachen wie c# oder Entwicklungsplattformen wie die Unity Unreal Engine. Er entwickelt in einer kleinen Gruppe ein eigenes Game – um nach der zweijährigen Ausbildung voraussichtlich in der Lage zu sein, bei einem Videospielunternehmen als Jung-Programmierer anzuheuern.

Die Vorgeschichte: Spiele aller Art

"Vor allem macht mich glücklich, dass er seiner Leidenschaft folgt – und etwas lernt, das er liebt"

Natürlich bin ich superstolz. Der eben noch kleine Junge zieht jüngst in die große Stadt. Er verließ das Nest und startete seinen eigenen Weg. Vor allem macht mich glücklich, dass er seiner Leidenschaft folgte – und nun etwas lernt, was er liebt: Seit Jahren investiert er seine Freizeit in das Erschaffen digitaler Spiele, schaut Erklärvideos, experimentiert mit Code. Was haben wir gelacht, als er den Ball bei Pong so groß zauberte, dass er feststeckte – und das Spiel so stets unentschieden endete.

Wahrscheinlich bin ich daran auch nicht ganz unschuldig, auch ich begeistere mich für Spiele aller Art. In seinem Vorschulalter erfanden wir neue Spiele wie Superhelden-Fußball (Jeder Spieler hat eine Superkraft, die sich auflädt, wenn man ein Gegentor kassiert), früh spielten wir komplexe Kartenspiele wie das der Siedler von Catan oder kooperative Videospiele wie die Fußballreihe FIFA, jüngst begeisterten wir uns für Divinity II, eine Mischung aus gemeinsam erlebter Geschichte und schachartigen Kämpfen. Spiele aller Art bestimmen unser Familienleben.

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Fortgeschrittener Prototyp: Nun, am Ende des ersten Semesters, blickt mein Sohn auf Dash of Faith – das erste Videospiel, das er in einem Team entwickelt hat. Download unter dashoffaith.school4games.net

Die Voraussetzung: eigene Kreationen

Allerdings: Begeisterung macht noch keinen Einstieg. „Ich höre seit knapp 40 Jahren Musik, bin ich deswegen ein guter Musiker?“, entgegnet Felix Wittkopf, 44, Geschäftsführer der School4Games, die er 2011 mitgründete. Natürlich reicht es nicht für die Berufswahl, ein Medium als Konsument zu mögen. Wichtig ist es dennoch. Relevanter allerdings ist die Leidenschaft für die Schaffenskraft. Daher achten Wittkopf und seine Kollegen bei der Auswahl der Schüler vor allem darauf, wie viel Freizeit ein junger Mensch in eigene Kreationen investiert.

Im Falle des Videospiels kann das fast alles sein: eigene Zeichnungen, Geschichten, Karten- oder Brettspiele, sogar das Modellieren mit Ton kann eine Fundament für eine Game-Entwickler-Karriere sein – diese Kunst ist schließlich das anfassbare Pendant zum digital geformten 3D-Modell. „Eine schöpferische Basis dieser Art brauchen wir, um jemand gut ausbilden zu können.“

Wege in die Spielebranche: Uni oder Akademie

Ina Lesser von Remote Control Productions rät Eltern und Einsteigern: „Achten Sie darauf, dass Hochschule oder Akademie anerkannt sind oder in der Branche einen guten Ruf genießen.“ Viele der Berufsbilder haben noch keine geschützten Titel, „daher gibt es auch leider Trittbrettfahrer unter den Ausbildungseinrichtungen.“

Wer in die Kernbranche möchte, sollte eine praxisnahe Ausbildungsstätte wählen. Weniger praxisfokussiert kann für den interessant sein, der in eine Nicht-Gaming-Branche möchte. „Wir beobachten, dass zum Beispiel Automobilfirmen Absolventen aus dem Game-Bereich einstellen“, sagt Lesser.

Beispiele für den Einstieg:

  • Universität – Beispiel Hochschule Augsburg

    Wer Abitur und Eignungsprüfung besteht, studiert zum Beispiel in Augsburg Interaktive Medien. Im Bachelorstudiengang lernt sie oder er die Grundlagen von 3D oder technische Konzeption. Später, im Master, kommt ein eigenes Game-Projekt dazu.
  • Privatakademie – Beispiel School4Games

    An der Berliner Schule zählt als Zugangsvoraussetzung weniger die Art des Schulabschluss, es reicht ein „Schulabschluss mit mindestens 10 absolvierten Schuljahren“. Hier zählen vor allem eigene Arbeitsproben. Prototypen , die Bewerber und Bewerberinnen in einem persönlichen Gespräch mit der Schulleitung diskutieren.

Eine Übersicht über alle Bildungseinrichtungen in Deutschland finden Interessierte in dieser Broschüre des Fachverbands Game (PDF, Seite 50).

Der Markt: größer als Musik- und Filmbranche

"Wenn mein Sohn in ein paar Jahren keine Lust mehr auf Videospiele hat, kann er sich neu erfinden"

Und das für einen Markt, der zukunftsfest wirkt. Seit 2014 ist er Deutschlands größter Unterhaltungsmarkt, er hat seit damals die Musik- und Filmindustrie überholt. Im App-Store stellen digitale Spiele den größten Teil der Programmchen.

Und die Branche bietet neben dem klassischen Game auch das Feld der expliziten Lernspiele, Serious Games genannt, sowie das Phänomen der Gamification, den Einsatz von Spielmechaniken außerhalb von Spielen – zum Beispiel im Marketing, im Automobil oder bei der motivierenden Nutzung einer Gesundheitsapp.

Wenn mein Sohn also in ein paar Jahren keine Lust mehr auf Videospiele hat, kann er sich neu erfinden ohne die Branche ganz verlassen zu müssen.

Die Zukunft: vielfältige Gamesbranche

Schließlich sind Games Technologietreiber, von denen andere Branchen profitieren, siehe Virtual Reality. Wer diesen Berufsweg wählt, hat über das Videospiel hinaus vielfältige Perspektiven. „Games sind heute deutlich breiter, sie reichen in viele Branchen hinein. Durch die zunehmende Digitalisierung und den technologischen Fortschritt erwarten wir ganz neue Felder“, sagt Ina Lesser, Personalchefin von Remote Control Productions. „Games sind schließlich die führende Kulturtechnik des 21. Jahrhundert.“

Das Münchner Unternehmen vereint ein knappes Dutzend Entwicklerstudios, hat knapp 60 Games seit 2005 veröffentlicht und ist unter anderem bekannt für Spiele wie das Handyspiel Angry Birds Evolution oder Bus Simulator 18.


Die Eltern: Skepsis nimmt ab

"Die 30- bis 50-jährigen Väter und Mütter kennen das Medium aus der eigenen Freizeit, viele spielen heute noch"

Handy. Spiel. Angry Birds. Bei manchen Eltern in meinem Umfeld reichen drei bis vier dieser Wörter, um sofort das Bild des dicken, fahlen, suchtgefährdeten und verdummenden Jugendlichen zu zeichnen. Doch die Zahl der Game-Skeptiker scheint abzunehmen. „Das Image von Games bei Eltern wird besser“, konstatiert Felix Wittkopf nach 20 Jahren Erfahrung in der Ausbildung. Im Vergleich zum Jahr 1999 gibt es heute keine Bewerber mehr, die gegen den Willen ihrer Erziehungsberechtigten „das jetzt durchziehen.“

Die heute 30- bis 50-jährigen Väter und Mütter kennen das Medium meist aus der eigenen Freizeit, viele spielen auch heute noch. Vielleicht sogar mit ihren Kindern, FIFA zum Beispiel. Und vielleicht sogar eines Tages ein Spiel des eigenen Nachwuchs’. Dann platze ich vor Stolz.

Die Gamesbranche und ihre Berufe

Die Vielzahl der Berufsbilder illustriert die Komplexität eines Videospiels. Der Fachverband GAME listet 13 verschiedene Professionen auf, die aus vielen Branchen kommen können: Autor, Komponist, Sound-Designer, Community Manager oder Localisation Manager, der sich um die sprachliche Übersetzung kümmert. Die klassischen Berufsbilder der Kernbranche sind:

  • Konzepter/in und Projekt Manager/in: Wer im Game Development arbeitet, kümmert sich um die Mechanik des Spiels, um dessen Abläufe, Charakter-Entwicklung, um die Geschichte, um den Aufbau einzelner Level – und um das Zusammenspiel der vielen Mitgestalter.
  • Programmierer/in: Sie oder er übersetzen Konzepte, Mechaniken und Features in Codes, sie integrieren Grafiken in die Game Engine, den Motor des Spiels – und erwecken sie so in der digitalen Spielwelt zum Leben.
  • Grafiker/in: Zeichnen, malen, illustrieren. Und so folgende Fragen beantworten: Wie sieht die digitale Welt aus? Welchen Stil macht das Spiel aus? Wie kommen die Protagonisten daher?
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