Eine Lehrerin startet einen YouTube-Kanal für Grundrechenarten, eine Stiftung will solche Erfahrungen exklusiv für Lehrkräfte konservieren. Es gibt großartige Beispiele für die digitale Entwicklung unserer Bildung. Bitte Spotlight auf Projekte wie diese.
Maximilian Gaub 21. September 2020
Als Corona kam, ging Nadine Weber zu YouTube. Ein Freund hatte sie gefragt: Wenn Du Deine Inhalte nicht jetzt digitalisierst, wann dann? Also startete die 39-Jährige ein zweiwöchiges, selbst gestaltetes Seminar. Thema: So drehe ich YouTube-Videos. Sie sah Tutorial-Filme zu Einstellungsgrößen, brachte sich selbst das Schnittprogramm iMovie bei und lernte, wie sie mit einem Design-Tool namens Canva ein eigenes Intro baut.
Am 26. April 2020 erschien ihr erstes Werk: „Zehnerzahlen dividieren – 3. Klasse”. Über 3.000 Nutzer haben es bislang gesehen, darunter viele SchülerInnen und noch mehr Eltern. Ein halbes Jahr später hat die Lehrerin an der Henri Dunant Grundschule in Dormagen in Nordrhein-Westfalen 36 Videos gedreht.
Digitalisierung der Schule dank Bildungspionieren
Für mich ist sie zudem jemand, der mit eigenem Herzblut das gigantische Projekt namens „Digitalisierung der Bildung“ vorantreibt. Jemand, der macht, ausprobiert und einen kleinen Baustein zu einer wichtigen Entwicklung beiträgt: unsere Bildung an das neue Zeitalter anpassen. Umsetzen statt schimpfen, diese Haltung ist so viel fruchtbarer für unsere Bildungslandschaft.
Meine Meinung daher: Drehen wir das Scheinwerferlicht der Aufmerksamkeit auf die Heldinnen und Helden des Bildungsalltags – statt auf die Lücken, die Mängel, die Versäumnisse des aktuellen System zu achten, wie bei dieser Studie. Schieben wir die Veränderung konstruktiv an. Feiern wir also, zumindest hier, zumindest ein bisschen, Lehrerkräfte wie Nadine Weber.
Oder die Macher und Mitmacher desbundesweiten Ideenwettbewerbs #wirfürschule – wie dieser Hackathon ablief, liest Du in diesem Artikel – in diesem Sommer, die Innovationen hervorbrachte bzw. bekannter machte wie: eine kostenlose Nachhilfe-Plattform Naklar.io, ein Netzwerk für kollaborative Projekte Frei-Day oder eine individualisierte Digitalisierungs-Anleitung für Schulen Scrollytell.me.
Oder Paukr. Die bald startende Plattform der Münchner Stiftung Digitale Age will digital-didaktische Erfahrungen und Projekte der jüngsten Monate sammeln. Und zwar exklusiv für Lehrer – und von Lehrern, die ihr neues Wissen in kurzen Tutorial-Videos demonstrieren und diskutieren lassen. „Wir möchten die gemachten Erfahrungen von Lehrern für Lehrer konservieren”, erklärt Geschäftsführer Fabrice Schmidt die Idee des nicht-kommerziellen Projekts. Die Haltung von Paukr entspricht der dieses Textes: „Wir wollen zeigen, was bei der Digitalisierung von Schulen bereits gut gelaufen ist.”
Erfahrungen der Digitalisierung aus dem Lehrerzimmer
Um die Pädagogen zum Mitmachen zu animieren, planen die Macher, erfolgreiche Videos mit einer eigenen Paukr-Währung zu belohnen. Diese Coins können Lehrer an ausgewählte Stiftungen spenden, die sich um die digitale Bildung verdienen. „Zum Beispiel solche, die Hardware oder Nachhilfe für sozial benachteiligte Kinder bereit stellen”, fügt Fabrice Schmidt hinzu. Die Plattform soll im Herbst 2020 in einer ersten Beta-Version erscheinen, dann mit Video-Inhalten erster Lehrer. Übrigens schon mit an Bord: Nadine Weber – die erklärt, welche Erfahrungen sie beim Start ihres YouTube-Kanals machte. Codingkids verriet sie vorab: „Meine Schüler finden es so cool, dass ihre Lehrerin bei YouTube ist.”
Einen Award für unsere VorbilderInnen
Und wenn man diesen konstruktiven Ansatz weiterdenkt: Wäre es nicht großartig, wenn es einen Preis geben würde, der noch mehr gute Beispiele als dieser Text sammelt. Der diese Heldinnen und Helden auf eine Bühne stellt und feiert – und so weiteren Mut macht, neue digitale Ideen auszuprobieren? Ein Award, der unter anderem den innovativen Einsatz von Software oder die Betreuung trotz fehlender Hardware prämiert? Vielleicht unterstützt von Unternehmen oder der Politik. Ja, die Idee ist noch nicht ganz zu Ende geschliffen. Aber darum geht es doch in der Digitalisierung: Ausprobieren, lernen, (besser) machen. Also: Wer ist dabei?
Maximilian Gaub
Unser Kolumnist Max Gaub ist Redakteur der ersten Stunde bei codingkids.de Magazin. Er ist 1975 geboren, Halbzeit-Alleinerzieher von zwei Söhnen, Wortspielschmied, Schlauchbootfahrer, Fußballer, Gamer, Nerd, Autor, Dozent, Medienmarkenmacher, Learning Designer.
Wir suchen die Bildungsheldinnen und -helden!
Es gibt noch viel mehr Beispiele deutscher Bildungspioniere. Wer kennt welche, die wir unbedingt vorstellen sollten? Wir möchten allen eine Bühne geben und von- und miteinander lernen.