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Wissen

Unser codiertes Leben

Die Digitalisierung macht die Welt weder besser noch schlechter – sondern reicher an Möglichkeiten. Das Wunderbare: Wir können so viel mitbestimmen wie nie zuvor. Aber: Wir müssen auch Verantwortung für unser digitales Treiben übernehmen.

Wir Menschen und die digitalen Errungenschaften, wir sind schon ein seltsames Gespann. Im Alltag bilden wir oft ein super Team. Auf der anderen Seite wollen wir dieses „Digitale“ manchmal einfach nur abschütteln. Und zwar immer dann, wenn wir uns fremdbestimmt fühlen. Die gute Nachricht: Wir können diese verzwickte Situation in eine großartige Gleichung voller Chancen, Mitwirkung und Selbstbestimmung ummünzen. Aber der Reihe nach.

Codes sind die Vokabeln, die Programmierer innerhalb ihrer Programmiersprachen nutzen, um digitale Werkzeuge zum Laufen zu bringen. Diese Tools dienen in erster Linie dazu, uns das Leben zu erleichtern, indem wir sie als Problemlöser im Alltag einsetzen. Es sind Werkzeuge in Form von technischen Geräten, Apps und Software. Auf den grafischen Benutzeroberflächen unserer Smartphones, Tablets und Computern sind diese Codes dann nicht mehr sichtbar. Sie agieren im Hintergrund indem wir ihnen per Klick, Wisch oder Touch Befehle erteilen. Die Wirkungsfelder der Codes sind so vielfältig wie praktisch, und so virtuell wie real: Mit der Eingabe einiger weniger Daten schlägt uns das Navigationsgerät die kürzeste Wegstrecke zum Badesee vor. Unseren Morgenlauf durch den Park lassen wir über eine Fitness-App auswerten. Das Geburtstagsgeschenk für Freunde organisieren wir gemeinsam über einen Chat in der WhatsApp-Gruppe. Vom Urlaub aus mailen wir der Familie die schönsten Bilder live vom Strand. Den Wocheneinkauf und die Bankgeschäfte erledigen wir per Klick vom Sofa aus und lassen uns genau dorthin auch noch das Abendessen liefern. Auch in Sachen Unterhaltung können wir uns dank Codes selbst zum Programmdirektor ernennen und streamen Filme, TV-Sendungen, Serien, Musik, Tutorials und Podcasts wann und wo wir wollen. Und selbst wenn wir nicht gerade unsere digitalen Endgeräte zücken, lassen wir Codes für uns sprechen. Zum Beispiel beim Vorzeigen der Gesundheitskarte in der Arztpraxis.

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Ohne Code nix los

Es gilt also nicht nur: Ohne Code nix los. Sondern auch: Ohne uns User sind Codes nutzlos. Sie wirken nur über unsere Befehle und durch ihren tatsächlichen Gebrauch. Noch deutlicher wird der hohe partizipative Charakter unserer digitalen Welt, wenn es um deren Inhalte und Themen geht. Egal ob soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram oder Pinterest, die Millionen Blogs zu allen erdenklichen Themen oder die nutzergenerierte Wissens-Enzyklopädie Wikipedia: Sie alle sind so programmiert, dass wir innerhalb derer als Sender und Empfänger gleichermaßen agieren und die Inhalte mitbestimmen können. Vom Kochen, Basteln, Bauen, Lachen, Reisen, Wissen über die Kindererziehung bis hin zu politischen und gesellschaftlichen Diskursen: Die digitale Welt bietet unfassbar viele freie Informationen – und gleichzeitig quasi unbegrenzten Raum, selbst zum Informanten, Ideengeber und Inspirator zu werden. Code sei dank!

Den Nutzen auch hinterfragen

Eigentlich alles knorke? Fast. Denn die digitale Welt hält noch viel mehr Chancen bereit, als uns den Alltag zu vereinfachen und zu bereichern. Sie schreit förmlich danach, dass wir uns an ihr beteiligen – und sei es, indem wir statt sie einfach nur zu nutzen genau diesen Nutzen auch hinterfragen. Ein Bereich, in dem man als digitaler Konsument schnell in einen beachtlichen Konflikt tappt, ist die Nutzung von Treuekarten und Bonus-Apps. Im Austausch gegen Preisvorteile und Prämien, deren Gegenwerte umstritten sind, geben wir zahlreiche Daten über unser Kaufverhalten preis. Zudem lassen wir dieses zukünftig auch noch lenken, denn dort wo Punkte zu sammeln sind und Rabatte locken, kaufen wir auch wieder ein. Von Kauf zu Kauf werden wir mehr entschlüsselt und bewegen uns plötzlich weg von der Rolle derjenigen, die programmieren zu denen, die programmiert werden.

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Nutzerverhalten, Rechte, Verantwortung

Auch bei der Nutzung von sozialen Netzwerken sollten wir uns fragen: Wieviel verstehen wir wirklich davon, was mit unseren Daten passiert? Beschützt ein weiteres Häkchen bei den Privatsphäre-Einstellungen unsere Daten ausreichend? Wäre es nicht sicherer, uns schon vorher selbst zu reglementieren und zu schützen, indem wir überlegen, was wir preisgeben wollen? Immer wieder gerät das soziale Netzwerk Facebook in die Kritik, weil es mit unseren sensiblen Daten nicht sorgsam genug umgeht. Wie gehen wir damit um? Konsequent fernbleiben, abmelden und ab jetzt wieder Brieffreundschaften pflegen? Klar ist, hier gibt es noch reichlich Wissenslücken auf allen Seiten und Vertrauen allein reicht nicht aus. Denn unsere digitalisierte Welt ist ein Raum voller neuer Möglichkeiten. Aber sie ist auch ein Raum, in dem die Rechtsprechung und wichtige Rahmenbedingungen noch längst nicht ausreichend angekommen sind. Das zeigt die aktuelle Debatte um die neue Datenschutz-Grundverordnung DSVGO. Keiner blickt so recht durch, wie sie korrekt umzusetzen ist. Viele Fragezeichen, viele Unsicherheiten. Umso mehr ist unsere eigene Medienkompetenz gefordert. So alltäglich unser Umgang mit der Digitalisierung ist, so alltäglich sollte auch das Lernen darüber sein.

Chancen und Perspektiven des codierten Leben

Schauen wir von den Weiten der digitalen Welt aus direkt vor unsere Haustür und von hier einen Ausblick in die Zukunft: Spannend sind hier vor allem digitale Bewegungen, die das Alltagsleben von Menschen in einem Ort oder einer Region ins Zentrum stellen. Unter dem Begriff „Smart City“ finden sich weltweit immer mehr Projekte und Initiativen, die – zunächst auf lokaler Ebene – die Lebensqualität erhöhen wollen. Zu dieser gesamtheitlichen Stadtentwicklung zählt nicht nur die Einrichtung von öffentlichem WLAN und anderen technologischen Fortschritten, sondern auch ökologische und soziale Aspekte.

Interessant ist zudem, dass es auf der quasi lokalen digitalen Ebene auch verstärkt darum gehen soll, die Bürger vom reinen „User“ zum „Creator“ zu bewegen. Programme des Vereins Open Knowledge Foundation Deutschland beispielsweise animieren Erwachsene („Code for Germany“) wie auch Kinder („Jugend hackt“) dazu, selbst digital zu gestalten und allgemein zugängliches Wissen („Open Data“) zu verwenden, um digitale Tools zu entwickeln. Tools, die den Bürgern die Arbeit der lokalen Verwaltung und Politik transparenter darstellt. Die lokalen Gruppierungen von „Code for Germany“ agieren aktuell in 25 deutschen Städten. Mit ihren Apps informieren sie über Feinstaubmessungen, Mietpreise, Kitaplätze, zukünftige Bauvorhaben, freie Parkplätze, Leitungswasser-Qualitäten, Defibrillator-Standorte bis hin zu Möglichkeiten, in die solidarische Landwirtschaft einzusteigen („Ernte teilen“).

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Wir können mitbestimmen wie nie zuvor

All diese Beispiele zeigen: Wir leben in einer Welt, in der wir so viel mitbestimmen und gestalten können, wie nie zuvor. Wichtig dabei ist, dass die digitale Medienkompetenz, die für Kinder dieser Generation so elementar wie nie zuvor ist, auch von uns Erwachsenen vorgelebt wird. Eltern müssen sich ihrer digitalen Fürsorgepflicht bewusst sein und ihre Kinder vorbereiten anstatt einfach mal machen zu lassen. Und Code hin oder her, Programmier-Experte oder Denker mit Blatt und Papier – wir alle können Architekten unseres digitalen Lebens werden. Ob darin jemals ein sprechender Kühlschrank oder virtuelle Assistenten namens Alexa oder Siri ihren festen Platz finden, bleibt eine persönliche Entscheidung – die Dimension der Digitalisierung ist personalisierbar. Schließlich macht die Digitalisierung die Welt weder besser noch schlechter als sie war – sondern reicher an Möglichkeiten.

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